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Familienalbum

Familienalbum

Titel: Familienalbum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Lively
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im Bett. Und Philip ist nicht da. Wo steckst denn du ?«
    »Rat mal! In Allersmead. Wie üblich. Wie so oft. Dort, wo ein Kerl meines Alters auf keinen Fall stecken sollte – zu Hause bei Mama und Papa.«
    »Hör mal, Paul …«
    »Ich bewerbe mich übrigens bei der Royal Horticultural Society um eine Stelle im glorreichen Garten von Wisley. Aufgrund meiner ganzen gärtnerischen Erfahrung. Meinst du, die nehmen mich? Ich habe einen irrsinnig überzeugenden Brief geschrieben. Und meine Qualifikationsnachweise mitgeschickt.«
    »Ah«, sagt Gina. »Welche Qualifikationsnachweise wären das genau?«
    »Mein Lebenslauf zeugt von meiner Flexibilität, wenn schon von nichts anderem. Gläserspüler in der Kneipe, Krankenträger in der Klinik, Schulhausmeister, Motorradkurier, Obstpflücker, Parkwächter. Erfahrung mit Wohnsituationen aller Art: mehrere Hausbesetzungen, diverse Sofas und Klappbetten, WG mit – äh – fünf Mitbewohnern, Landarbeiterunterkunft, Doppelzimmer in einem Rehazentrum. Und ein paar Nächte in Polizeizellen.«
    »Letzteres würde ich unterschlagen«, sagt Gina. »An deiner Stelle.«
    »Ich setze auf Ehrlichkeit, soll ich doch, oder? Die Zellennächte waren sowieso nur reine Schikane. Überreaktionen unterbeschäftigter Bullen, die einen drangsalieren, bloß weil man sich einen netten Abend macht.«
    »Wie du meinst«, sagt Gina. »Wenn schonungslose Ehrlichkeit zu deiner Vorstellung von einem Lebenslauf gehört.«
    »Ich biete mich eben als ganzen Menschen an. Anpassungsfähig, vielseitig und mit kleinen Macken. Die Psychologen im Rehazentrum waren an Macken außerordentlich interessiert. Erkenne dich selbst. In vielen produktiven Sitzungen haben wir meine Macken durchgekaut. Ich wette, die würden sogar bei dir ein, zwei Macken finden, wenn sie dich gründlich auseinandernehmen.«
    »Dutzende«, sagt Gina. »Philip wird sie dir gern aufzählen.«
    »Netter Kerl, finde ich. Gehört er zum festen Inventar?«
    »Ich muss doch sehr bitten!«
    »’tschuldige. War nur ’ne Frage. Mir liegt das Wohlergehen meiner Schwester eben am Herzen. Aber kehren wir zu mir zurück, ein bei Weitem heikleres Thema. Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, beim Lebenslauf. Hundeausführer. Autoscooter-Bedienungspersonal – hab ich das schon erwähnt?«
    »Nein«, sagt Gina. »Davon weiß ich nichts.«
    »Ist wahrscheinlich auch besser so. Sagen wir mal, ich würde dir raten, lass dich nie mit Leuten vom Rummel ein. Ziemlich ungenießbare Typen, sogar nach meinen Maßstäben, obwohl ich gelernt habe, nicht pingelig zu sein. Das Intermezzo hat mich einen Schneidezahn gekostet. Es gab da ein Mädchen, mit dem ich öfter gequatscht habe, und das hat ihrem Freund nicht gepasst. Hat mich Vorsicht gelehrt, wenn Frauen im Spiel sind.«
    »Die empfiehlt sich immer, wenn die Frauen schon vergeben sind«, sagt Gina.
    »Das Mädchen überspringen wir in meinem Lebenslauf. Eigentlich wollte ich alle Frauen rauslassen, auch die, mit denen ich zusammengelebt habe. Oder mache ich dann den Eindruck, ich wäre …«
    »Schwul?«, schlägt Gina vor.
    »Das wäre nicht so schlimm. Ich befürchte eher – unattraktiv. Langweilig. Ausschussware. Vielleicht werden wir Frauen als Fußnote einbauen. ›Die üblichen Beziehungen‹ – so was in der Art.«
    »Ist dir klar, dass sich das nach einem ziemlich merkwürdigen Lebenslauf anhört?«
    »Nennen wir’s doch lieber unkonventionell. Individualistisch. Wir versuchen, ein Bild meiner Persönlichkeit zu vermitteln. So was könnte man schon unkonventionell nennen, nicht?«
    »Ich fürchte, ja«, sagt Gina.
    »Höre ich da Kritik heraus? Na schön, das bin ich ja gewöhnt. Seit den Schultagen. ›Paul hat es wieder einmal versäumt, sein Potenzial voll auszuschöpfen.‹ Du warst leistungsmäßig natürlich immer Spitze. In einsamen Höhen.«
    »Auf einer beschissenen Schule«, sagt Gina.
    »Richtig. Aber Dad hätte mit seinen Dividenden nie eine bessere Ausbildung für uns sechs finanzieren können.«
    »Wir hätten uns im Gruselschrank aufhängen sollen«, sagt Gina. »… wir sin zu fiele .«
    » Wie bitte?«
    »Literarische Anspielung. Thomas Hardy, Herzen im Aufruhr .«
    »Du weißt genau, dass ich des Lesens kaum mächtig bin. Da brauchst du nicht mit deinem Wissen zu protzen. Aber zurück zum Lebenslauf. Wir haben Arbeitserfahrung, ganz ordentlich sogar, obwohl ich da einiges weggelassen habe. Wir haben meinen Lebensweg gestreift – geografisch gesehen –, obwohl sich da noch einiges

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