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Familienaufstellungen

Familienaufstellungen

Titel: Familienaufstellungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Tillmetz
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Seite der Mutter wahrnimmt und deren Schmerz sieht, für ihr Kind nicht sorgen zu können, verschwindet ihre Verachtung. Sie spürt erstmals Liebe für den lustvollen Teil ihrer Mutter und kann ihn annehmen. Nun ist es für sie möglich, zu ihrer Mutter zu sagen: »Liebe Mama, ich bin lustvoll wie du.« (Beide Frauen schauen sich schelmisch an.) »Und ich möchte gut für mein Kind sorgen, erlaubst du es mir?«
    Cornelia hat die Entweder-oder-Verknüpfung (entweder gute Liebhaberin oder gute Mutter) in dem Moment gelöst, als sie Liebe und Achtung für ihre Mutter empfinden kann.
     
    Eine andere Auswirkung unserer mobilen Zeit ist, dass viele Frauen und Männer nur noch einen Teil ihrer Familie persönlich kennen. Der Onkel wanderte nach Chile aus, der erste Mann der Mutter muss irgendwo in Norddeutschland leben, die Töchter wohnen in Berlin, Bochum und Basel. Überlegen Sie kurz: Kennen Sie alle Personen bis in die Großelterngeneration, mit denen Sie direkt verwandt sind? Wenn Sie jetzt mit »Ja« antworten, sind Sie eine Ausnahme! Mithilfe eines Genogramms können Sie sich auf eine Entdeckungsreise begeben.
    Genogramme gehören zum zentralen Handwerkszeug systemischer Therapie und Beratung. Sie werden bei allen in diesem Buch beschriebenen Methoden verwendet, um sich einen Überblick über die Familie zu verschaffen, sowohl in der Skulptur- und Aufstellungsarbeit wie auch in der Familienrekonstruktion. »Genogramm« bedeutet im Deutschen »Ahnentafel« oder wird auch mit »Stammbaum« übersetzt. Der deutsche Begriff trägt jedoch eine historische Hypothek, erinnert er doch an die Stammbaumforschung im Dritten Reich, also an die menschenverachtenden Methoden der Nationalsozialisten.Die Stammbaumforschung wurde zu dieser Zeit angewendet, um eine »arische« Abstammung nachzuweisen. Daher wird der deutsche Begriff nur selten benutzt.
    In der therapeutischen Arbeit soll das Genogramm Ihnen helfen, sich als Teil eines ganz besonderen Familiensystems zu entdecken. All diese Menschen, die Sie in Ihrem Genogramm benennen, haben Ihr Werden wesentlich geprägt – direkt oder indirekt.
    Im Genogramm werden zunächst alle lebensgeschichtlichen Daten über mindestens drei bis zu fünf Generationen aufgenommen.
    Aus den historischen »Rohdaten« wie Geburts-, Hochzeits- und Todesjahr erfahren Sie bereits einiges über die familiäre Entwicklung und das geschichtliche Umfeld Ihrer Familie: Wie groß sind Ihre Familien väterlicher- und mütterlicherseits? Wie schnell kamen die Kinder hintereinander? Wie alt wurden die Männer und die Frauen in Ihrer Familie? Fällt die Familiengründung der Großeltern in die Kriegsjahre oder in die Nachkriegszeit? Fallen bestimmte familiäre Ereignisse mit politisch markanten Zeitpunkten zusammen? Beispielsweise gibt es in vielen ostdeutschen Familien eine Kinderpause in den Jahren nach der Wiedervereinigung. Aus den Daten lassen sich bereits Zeiten familiären Aufbaus und Krisenzeiten erahnen.
    Im Rahmen der Familientherapie werden nun einschneidende Ereignisse, die eine Familie zu bewältigen hatte, ins Genogramm eingetragen: Wie haben die einzelnen Familienmitglieder die Kriege (über)lebt – als Zivilisten, Soldaten, Gefangene, Ausgebombte, Flüchtlinge, Vertriebene? Wie haben sie die verschiedenen Regimewechsel (1918, 1933, 1945, 1989) bewältigt – als Opfer, als Täter? Gibt es politische, religiöse, kulturelle Umbrüche? Aus welchen Ländern, mit welchen nationalen Hintergründen kommen die Familien zusammen?
    Wie werden Partnerschaften in dieser Familie gelebt? Wie alt wurden sie? Feierte jemand bereits Goldene Hochzeit? Gibt es Trennungen und Scheidungen? Seit wann gibt es Patchworkfamilien? Mancheiner ist erstaunt, wenn er oder sie entdeckt, dass bereits die Großeltern in einer Patchworkfamilie aufwuchsen. Damals nannte dies keiner so, und die Kinder aus erster Ehe mussten gewöhnlich den Stiefvater oder die Stiefmutter einfach »Vater« oder »Mutter« nennen, was für die Kinder damals psychisch ähnlich verwirrend war, wie dies heute der Fall ist, wenn nicht klar zwischen leiblichen und sozialen Eltern unterschieden wird. Welche Werte, welche Stärken und Ressourcen werden in der Familie weitergegeben? Man denke an berufliche Erfolge, Familienrituale, Hausbau und Hauserbe, politisches oder ethisches Engagement.
    Infolge traumatischer Ereignisse haben möglicherweise einzelne Menschen in der Familie Krankheiten wie Alkohol- oder Drogensucht, Depression oder Zwangsstörungen

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