Familienbande
bereue ich Karas Tod. Ich habe sie geliebt und trauere noch immer um sie. Aber ich bin jetzt mit Kathleen verbunden und habe eine wunderbare Tochter. Ich weiß, dass du das nicht nachvollziehen kannst, aber mehr brauche ich zu meinem Glück nicht.“
Doreen schüttelte langsam den Kopf.
„Ich würde dich für deine Dummheit manchmal am liebsten auspeitschen lassen“, stellte sie nachdrücklich klar. „Aber das geht leider nicht. Also müssen wir uns so arrangieren, mein Sohn. Morgen erwacht Greg wieder aus seinem Schlaf. Damit schließt sich dann wohl der Zirkel, denn er ist der erste aus unserer Familie, der mit dem Wissen über die neuen Zustände erwacht.“
„Ja. Das stimmt.“
„Laney hat immer noch keinen festen Freund?“
„Nein. Sie hatte in den letzten Jahren wechselnde Beziehungen, aber das waren immer nur kurze Liebeleien und ich glaube nicht, dass sie ernsthafte Gefühle für einen von ihnen hatte.“
„Du weißt, dass die anderen über dich reden, weil du zulässt, dass Laney vor ihrer ersten Schlafphase mit Männern ... verkehrt.“
Jason verspürte einen Stich und zuckte ein wenig zusammen, aufgrund der harten Worte. Es stimmte. Es war eigentlich nicht üblich, seine Töchter vor der ersten Schlafphase mit Männern allein zu lassen. Aber Laney war ein besonderer Fall. Sie sollte die Gelegenheit haben, selbst jemanden zu finden, mit dem sie ihr Leben verbringen wollte. Und das möglichst schnell. Bisher war das aber leider noch nicht geschehen.
„Die anderen reden sowieso über mich“, verteidigte Jason sich. „Ich vertraue meiner Tochter. Sie kennt die Grenzen und wird gewiss nicht vor ihrer ersten Schlafphase riskieren schwanger zu werden. Dafür ist sie zu clever.“
Doreen zuckte mit den Schultern.
„Das heißt, du hast wirklich vor Greg zu fragen, richtig?“
„Ja.“
„Und wenn er nein sagt?“
„Das wird er nicht.“
„Und wenn sie nein sagt?“
Jason zögerte. Dass Laney sich gegen eine arrangierte Ehe sträuben würde, war recht wahrscheinlich. Und er wäre sicherlich der Letzte, der sie zu etwas zwingen würde. Er konnte einfach nur hoffen, dass bei dem Mädchen schließlich doch noch die Vernunft siegen würde.
„Wenn sie sich weigert … dann können wir zumindest sagen, wir hätten alles versucht.“
Die schlafenden Vampire wurden seit jeher an einem Ort in der Erde untergebracht. Warmblütern machte das Sonnenlicht zwar nichts aus, aber es sollte möglichst sichergestellt sein, dass kein Mensch sie während ihres totenähnlichen Schlafes zu sehen bekam und dass sie so geschützt wie möglich waren. Zehn Jahre lang waren die Betroffenen nicht dazu imstande, sich selbständig gegen Angriffe von Wilden, Menschen oder verfeindeten Artgenossen zu wehren. Sie waren darauf angewiesen, von ihren Angehörigen beschützt zu werden, und mussten sich darauf verlassen, von ihnen zum passenden Zeitpunkt wieder erweckt zu werden. Geschah dies nicht, so konnte das schwere gesundheitliche Folgen für die Warmblüter haben.
„Warum müssen es eigentlich zehn Jahre sein?“, fragte Kathleen neugierig, während sie dabei zusah, wie Viktor und Jason die schwere Tür zum Schlafbunker öffneten.
Sie befanden sich in einem runden Kellerraum, unterhalb des Herrenhauses, der eigens zum Zweck der Erweckung von Warmblütern erbaut worden war. Er war völlig kahl und hatte auf dem Boden einen großen Kreis mit unterschiedlichen Zeichen, die Kathleen noch unbekannt waren.
„Wie bitte?“, fragte Doreen.
„Warum müsst ihr genau zehn Jahre schlafen?“, präzisierte Kathleen die Frage. „Warum sind es nicht fünf Jahre? Oder zwanzig? Warum genau zehn?“
Doreen schnaubte. Es passte ihr nicht, dass Kathleen überhaupt bei der Zeremonie der Erweckung anwesend war. Dass sie noch dazu einfältige Fragen stellte, setzte dem Ganzen wirklich die Krone auf.
„Es sind zehn Jahre, weil die Zusammensetzung des Tranks darauf ausgelegt ist“, antwortete Jason unter Anstrengung, als er bemerkte, dass seine Mutter nicht vorhatte auf die Frage einzugehen.
Er stemmte sich mit seinem Vater gegen das schwere Tor, bis es schließlich nachgab und kühle Luft nach draußen strömte.
„Würden wir nur neun oder mehr als zehn Jahre schlafen, würden unsere Körper das nicht verkraften“, erklärte Jason weiter, während Viktor die Tür vollends aufschob. „Die Ältesten haben dazu ausführliche Experimente gemacht.“
„Experimente?“, hakte Kathleen nach.
„Natürlich nicht an sich
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