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Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Bau
Bis alle Welt ist tot.
Drum sattle mein Pferd und hole die Meute
Die Wildnis ruft uns geschwind
Dann zerreiß‘ ich meine Fesseln noch heute
Ich hinterm Erdwall geborenes Kind.
Der alte Flawse-Clan knüpft die Schlingen
Die Moosräuber hervor sich drängen
Und bedrohlich die Glocken klingen
Bis an den Eisdon-Baum sie mich hängen.«
    Als das Lied verstummte und das dünne Pfeifen des Dudelsacks in der Stille des Hauses erstarb, schlich Mr. Bullstrode, mehr aus Angst vor zukünftigen Ereignissen als vor Kälte zitternd, leise ins Bett zurück. Was er soeben gehört hatte, erhärtete seine Vermutung. Lockhart Flawse war ein Relikt der trüben und gefährlichen Vergangenheit, als die Moosräuber durch Tyndale und Redesdale zogen und vom Flachland an der Ostküste Vieh stahlen. Und wenn sie es gestohlen hatten, versteckten sie es in ihren Festungen im Hochland. Zu dieser wilden Gesetzlosigkeit hatte sich eine Dichtung gesellt, ebenso herb und unerschrocken tragisch in ihrer Sicht des Lebens wie fröhlich im Angesicht des Todes. Mr. Bullstrode zog sich die Decken über den Kopf und sah voraus, was auf sie zukommen könnte. Schließlich, nach einem stummen Stoßgebet, Mr. Wieman möge der Vernunft gehorchen und keine Katastrophe heraufbeschwören, fiel er in einen unruhigen Schlaf.
     

Kapitel 20
     
    Doch es waren bereits Kräfte am Werk, um die von Mr. Bullstrode in seinem Gebet zum Ausdruck gebrachten Hoffnungen zunichte zu machen. Mr. Wieman war am nächsten Morgen durchaus gewillt, der Vernunft zu gehorchen, als der Anwalt mit seiner Warnung nach Hexham zurückkehrte, doch Ihrer Majestät Steuereintreiber für die Mittelmarken hatte die Lage nicht mehr unter Kontrolle. Mit Mr. Mirkin, dem Leitenden Steuerinspektor der Oberfinanzdirektion (Unterabteilung Steuerhinterziehung) in der Obersten Finanzbehörde, hatte man in London eine weit gefährlichere Persönlichkeit auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, daß Mr. und Mrs. Flawse, ehemals wohnhaft 12 Sandicott Crescent und nunmehr unbekannt verzogen, 659000 gebrauchte Ein-Pfund-Noten mit dem Vorsatz abgehoben haben könnten, keine Kapitalgewinnsteuer zu bezahlen. Dies war ihm durch den Leiter der Zweigstelle von Jessicas Bank in East Pursley mitgeteilt worden, der zufällig ein guter Freund Mr. Mirkins und über ihre Weigerung, sich von ihm beraten zu lassen, ungehalten war. Noch ungehaltener hatte ihn Lockharts Verhalten gemacht. Seiner Meinung nach war hier etwas faul. Mr. Mirkins Meinung nach war es mehr als faul; es stank gen Himmel.
»Steuerhinterziehung«, lautete sein Credo, »ist ein Kapitalverbrechen an der Gesellschaft. Wer nicht bereit ist, seinen Beitrag zum wirtschaftlichen Wohl des Landes zu leisten, hat die strengste Bestrafung verdient.« Was, da Mr. Mirkins Einkommen ausschließlich auf der Zahlungswilligkeit gesellschaftlich produktiver Personen beruhte, eine sowohl verständliche als auch naheliegende Ansicht war. Die Höhe des fraglichen Betrages steigerte seine Entrüstung beträchtlich. »Wenn nötig, werde ich diese Angelegenheit bis ans Ende der Welt verfolgen.«
Was gar nicht erforderlich war. Die verstorbene Mrs. Flawse hatte dem Bankdirektor geschrieben und ihre neue Adresse mitgeteilt. Daß sich diese inzwischen geändert hatte, spielte für Mr. Mirkin keine Rolle. Er überprüfte die Hebeliste der Steuerbehörde für Northumberland, der er entnahm, daß ein Mr. Flawse, der seit fünfzig Jahren keine Steuern bezahlt hatte, dennoch in Flawse Hall auf der Flawse-Hochebene lebte, und wo die Mutter war, hielt sich wahrscheinlich auch ihre Tochter auf. Alle anderen Pflichten vernachlässigend, reiste Mr. Mirkin auf Kosten des Steuerzahlers erster Klasse nach Newcastle, wo er, um seinen Rang in der Hierarchie der Steuerbeamten zu unterstreichen, für die Fahrt nach Hexham einen Mietwagen nahm. Zwei Tage nach Mr. Bullstrodes Besuch und Warnung unternahm Mr. Wieman den Versuch, einem sehr vorgesetzten Vorgesetzten zu erklären, wie ein Mr. Flawse, der ein Gut von zweitausend Hektar Größe sowie sieben verpachtete Bauernhöfe besaß, versäumen konnte, seinen Beitrag zum nationalen Steueraufkommen zu leisten, und fünfzig Jahre lang nicht einen Penny Steuern entrichtet hatte.
»Nun, das Gut hat immer Verlust gemacht«, sagte er.
Mr. Mirkins Skepsis war von chirurgischer Schärfe. »Und Sie erwarten von mir, daß ich das glaube?« fragte er. Mr. Wieman antwortete, es gebe keine Beweise für das Gegenteil.
»Das werden wir sehen«, sagte Mr.

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