Familienbande
hatte einen Volltreffer erzielt. Wo eben noch Mrs. Flawse gesessen hatte, befand sich nun ein großer Krater, um den herum wie goldenes Konfetti von einer verschwenderischen Hochzeit eintausend Goldsovereigns verstreut lagen. Aber schließlich hatte Mrs. Flawse schon immer Geld geheiratet. Oder, wie sie als Kind von ihrer habsüchtigen Mutter gelernt hatte: »Du sollst nicht Geld heiraten, mein Liebes, sondern dorthin gehen, wo das Geld ist.« Und daran hatte Mrs. Flawse sich gehalten.
Mr. Dodd ebenfalls, doch der war weit lebendiger als sie. Er ging guten Gewissens. Er hatte sein eigenes Leben riskiert, um das olle Miststück loszuwerden, und wie der Dichter sagt: »Die Freiheit liegt in jedem Hieb! Laßt uns bestehen oder sterben!« und Mr. Dodd hatte für die Freiheit getan, was er konnte, und lebte immer noch. Auf dem Rückweg nach Flawse Hall pfiff er: »Jemand sieht jemand, Der kommt durch die Roggenähren. Jemand tötet jemand, Muß da jemand weinen bittre Zähren?« Aye, der alte Robbie Burns wußte, wovon er sprach, dachte er, auch wenn man den Sinn ein wenig modifizieren mußte. Und als er im Herrenhaus war, zündete er im Arbeitszimmer des Alten ein Kaminfeuer an, holte seinen Dudelsack, nahm auf der Sitzbank in der Küche Platz und spielte »Twa Corbies« in der wehmütigen Erkenntnis, daß über Mrs. Flawses weißen Knochen, schon gebleicht, der Wind soll weh‘n so lang die Zukunft reicht. Er spielte immer noch, als ihn das Geräusch einer Hupe, die am verschlossenen Brückentor betätigt wurde, die Auffahrt hinuntereilen ließ, um Lockhart und seine Frau zu begrüßen.
»Die Flawses sind wieder im Herrenhaus«, sagte er, als er das Tor öffnete. »Das ist ein großer Tag.« »Aye, es ist gut, endgültig hier zu sein«, sagte Lockhart.
An diesem Abend speiste Lockhart statt seines Großvaters am ovalen Mahagonitisch, Jessica ihm gegenüber. Bei Kerzenlicht sah sie unschuldiger und schöner aus denn je, und Lockhart prostete ihr zu. Er hatte seine Gabe zurückbekommen, wie von der Zigeunerin prophezeit, und das Wissen, daß er nun wahrhaftig das Oberhaupt der Flawseschen Sippe war, entband ihn von der bisher ihm auferlegten Keuschheit. Später, als Rowdy und der Collie sich in der Küche mißtrauisch beäugten und Mr. Dodd zur Feier des Tages eine Eigenkomposition vorblies, lagen sich Lockhart und Jessica nicht nur in den Armen, sondern gingen etwas weiter.
So groß war ihr Glück, daß das Fehlen von Mrs. Flawse erst nach einem späten Frühstück auffiel.
»Ich hab sie seit gestern nicht mehr gesehen«, sagte Mr. Dodd. »Sie war auf der Hochebene unterwegs und viel besser gelaunt als sonst in letzter Zeit.«
Lockhart sah in ihrem Schlafzimmer nach und stellte fest, daß ihr Bett unberührt geblieben war.
»Aye, das gibt auch mir zu denken«, gab Mr. Dodd zu, »aber ich hab‘ das Gefühl, daß sie sich dennoch zur Ruhe begeben hat.«
Doch Jessica war zu entzückt von dem Haus, um ihre Mutter zu vermissen. Sie lief von einem Zimmer ins andere, betrachtete die Porträts und die schönen alten Möbel und schmiedete Zukunftspläne.
»Ich finde, wir sollten Großvaters alten Ankleideraum zum Kinderzimmer umbauen«, sagte sie zu Lockhart, »hältst du das nicht auch für eine gute Idee? Dann haben wir Baby in unserer Nähe.«
Lockhart war mit all ihren Vorschlägen einverstanden. Ihm gingen andere Dinge als Babys durch den Kopf. Er besprach sich mit Mr. Dodd im Arbeitszimmer.
»Sie haben das Geld zum Mann in die Whiskywand gebracht?« fragte er. »Aye, Kiste und Koffer sind gut versteckt«, sagte Mr. Dodd, »aber du hast doch gesagt, es würde niemand nachsehen kommen.«
»Was ich nicht mit Sicherheit weiß«, sagte Lockhart, »deshalb ist es unumgänglich, auf Notfälle vorbereitet zu sein, und ich habe nicht vor, mir mein Eigentum abnehmen zu lassen. Wenn sie das Geld nicht finden, können sie sich des Hauses und alles anderen bemächtigen. Ich habe fest vor, mich auf diese Eventualität rechtzeitig vorzubereiten.«
»Das Gebäude läßt sich nur schwer unter Gewaltanwendung einnehmen«, sagte Mr. Dodd, »aber vielleicht hast du ja andere Pläne.«
Lockhart sagte nichts. Sein Bleistift kritzelte eine Art Moosräuber auf den vor ihm liegenden Schreibblock.
»Diese Notwendigkeit möchte ich tunlichst vermeiden«, sagte er nach langem Schweigen. »Zuerst werde ich mich mit Mr. Bullstrode unterhalten. Er hat sich immer um die Steuerprobleme meines Großvaters gekümmert. Sie rufen ihn vom Telefon in Black
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