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Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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ich dich heiratete.«
»Na, wenn du gesehen hättest, was in ihrem Brief über mich steht, wärst du dir nicht mehr so sicher«, sagte Lockhart.
Aber für Jessica stand die Antwort bereits fest. »Wenn du mich fragst, ist sie einfach eine gemeine Hexe und sauer wegen des Testaments. Das ist meine Meinung. Was willst du jetzt unternehmen?«
»Eine andere Arbeit suchen, nehme ich an«, sagte Lockhart, doch das war leichter gesagt als getan. Auf dem Arbeitsamt in East Pursley stapelten sich schon die Bewerbungen von ehemaligen Börsenmaklern, und Mr. Treyers Weigerung, zu bescheinigen, daß er je bei Sandicott angestellt gewesen war, machte Lockharts Lage, im Verein mit dem Fehlen jeglicher Ausweispapiere, hoffnungslos. Genauso war es im Sozialversicherungsamt. Daß er in bürokratischer Hinsicht nicht existierte, wurde überdeutlich, als er zugab, noch nie Sozialversicherung gezahlt zu haben.
»Was uns betrifft, gibt es Sie statistisch betrachtet überhaupt nicht«, teilte ihm der Sachbearbeiter mit.
»Aber es gibt mich«, ließ Lockhart nicht locker, »ich bin hier. Sie können mich sehen. Sie können mich sogar anfassen, wenn Sie wollen.«
Der Beamte wollte nicht. »Hören Sie«, sagte er mit der geballten Höflichkeit eines Mitarbeiters des öffentlichen Dienstes, der sich mit der Öffentlichkeit unterhielt, »Sie haben zugegeben, daß Sie nicht im Wählerverzeichnis stehen, Sie wurden bei keiner Volkszählung erfaßt, Sie können keinerlei Paß oder Geburtsurkunde vorlegen, gearbeitet haben Sie auch noch nie ...Schon gut, ich weiß, was Sie sagen wollen, aber mir liegt ein Brief von Mr. Treyer vor, der unmißverständlich erklärt, Sie hätten nie bei Sandicott & Partner gearbeitet, Sie haben keinen Penny Sozialversicherung gezahlt, und einen Krankenschein besitzen Sie auch nicht. Also, wollen Sie auf ihre nichtexistente Art weiterexistieren, oder muß ich die Polizei rufen?« Wie Lockhart zu erkennen gab, wollte er nicht, daß man die Polizei rief.
»Na schön«, sagte der Beamte, »dann lassen Sie mich mit anderen Antragstellern weitermachen, die einen berechtigteren Anspruch an den Wohlfahrtsstaat haben.«
Lockhart ließ ihn allein mit einem arbeitslosen Moralphilosophen fertigwerden, der seit Monaten verlangte, besser gestellt zu werden als ein Rentner, und gleichzeitig jede Arbeit ablehnte, die nicht seiner Qualifikation entsprach.
Als Lockhart zu Hause ankam, war er völlig niedergeschlagen.
»Es ist zwecklos«, sagte er, »ich kann keinen bewegen, mir eine Arbeit zu geben, und irgendwelche Unterstützung bekomme ich auch nicht, weil man nicht zugibt, daß ich existiere.«
»Ach du lieber Himmel«, sagte Jessica. »Könnten wir doch nur all die Häuser verkaufen, die Daddy mir vermacht hat, das Geld anlegen und von den Zinsen leben.«
»Das geht eben nicht. Du hast doch gehört, was der Grundstücksmakler gesagt hat. Sie sind bewohnt, nicht möbliert, langfristig vermietet, und wir können nicht mal die Mieten erhöhen, geschweige denn die Häuser verkaufen.«
»Ich finde das ganz schön ungerecht. Warum können wir den Mietern nicht einfach sagen, sie sollen verschwinden?«
»Weil im Gesetz steht, daß sie nicht ausziehen müssen.«
»Wen interessiert, was im Gesetz steht?« sagte Jessica. »Es gibt ein Gesetz, in dem steht, daß Arbeitslose Geld bekommen, aber wenn es ans Bezahlen geht, tun sie‘s nicht, dabei ist es nicht einmal so, daß du nicht arbeiten willst. Ich sehe nicht ein, warum wir ein Gesetz einhalten sollen, das uns schadet, wenn die Regierung ein Gesetz nicht einhält, daß uns nützt.«
»Was dem einen recht ist, ist dem anderen billig«, pflichtete Lockhart ihr bei, und so entstand die Idee, die, ausgebrütet in Lockhart Flawses Kopf, den ruhigen Straßenzug Sandicott Crescent in einen Abgrund von Mißverständnissen verwandeln sollte.
An diesem Abend verließ Lockhart, während Jessica sich das Hirn nach irgendeiner Methode zermarterte, ihr Einkommen aufzubessern, das Haus und stahl sich so heimlich, wie er es bei der Verfolgung des Wildes auf der Flawse-Hochebene gelernt hatte, mit einem Fernglas bewaffnet durch die Stechginsterbüsche im Vogelschutzgebiet. Genaugenommen beobachtete er keine Vögel, doch als er um Mitternacht wieder nach Hause kam, hatte die meisten Bewohner der Häuser observiert und einige kleine Erkenntnisse über ihre Angewohnheiten gewonnen.
Er blieb noch eine Weile auf und schrieb etwas in ein Notizbuch. Das Buch enthielt ein genaues Verzeichnis, und unter P

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