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Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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notierte er: »Pettigrew, Mann und Frau um die fünfzig. Führt Dackel Little Willie um elf aus und mixt Milchgetränk. Gehen um halb zwölf zu Bett.« Unter G fand sich die Information, daß die Grabbles fernsahen und um Viertel vor elf zu Bett gingen. Mr. und Mrs. Raceme in Nummer 8 taten etwas Seltsames, wobei Mr. Raceme um Viertel nach neun an sein Bett gefesselt und um zehn wieder losgebunden wurde. In Nummer 4 hatten die beiden Fräulein Musgrove vor dem Abendessen den Pfarrer zu Gast gehabt und anschließend das Kirchenblättchen gelesen und gestrickt. Schließlich hatte Colonel Finch-Potter im neben dem der Flawses gelegenen Haus Nummer 10 allein zu Abend gespeist, laut über die politische Sendung der Labour Partei im Fernsehen gewettert und anschließend seinen Bullterrier rasch Gassi geführt, bevor er sich zurückzog.
Lockhart notierte sich all diese Angewohnheiten und ging dann selbst zu Bett. Etwas Heimliches und Verschlagenes machte sich in seinen Gedanken breit. Was es genau war, konnte er nicht sagen, doch langsam schob sich der Jagdinstinkt in sein Bewußtsein, und mit ihm eine Rohheit und Wut, die keine Gesetze oder gesellschaftlichen Konventionen der Zivilisation kannten.
Am nächsten Morgen verkündete Jessica, sie wolle sich eine Arbeit suchen.
»Ich kann tippen und stenographieren, und es gibt jede Menge Firmen, die Sekretärinnen brauchen. Ich stelle mich bei einem Vermittlungsbüro vor, das Aushilfskräfte für Maschineschreiben sucht.«
»Das gefällt mir nicht«, sagte Lockhart. »Ein Mann sollte für seine Frau sorgen, und nicht umgekehrt.«
»Ich werde nicht für dich sorgen. Es ist für uns beide, und vielleicht finde ich auch für dich Arbeit. Allen, für die ich arbeite, werde ich sagen, wie geschickt du bist.«
Gegen Lockharts Widerstand bestieg sie den Bus. Alleingelassen, verbrachte er den Tag damit, mißmutig grübelnd durchs Haus zu streifen und sich an Stellen umzusehen, die er noch nicht kannte. Dazu gehörte der Speicher, wo er in einer alten Blechkiste die Unterlagen des verblichenen Mr. Sandicott fand. Unter anderem die Baupläne sämtlicher Häuser der Siedlung mit Einzelheiten über sanitäre Installationen und elektrische Leitungen. Lockhart nahm sie mit nach unten und sah sie gründlich durch. Sie waren überaus informativ, und als Jessica mit der Neuigkeit nach Hause kam, sie würde am nächsten Tag bei einer Zementfirma anfangen, deren Schreibkraft mit Grippe ausfiel, hatte Lockhart die genaue Lage sämtlicher Installationen, derer sich Sandicott Crescent rühmte, in seinem Kopf verzeichnet. Er begrüßte Jessicas Neuigkeit ohne Begeisterung.
»Wenn jemand was Komisches versucht«, sagte er eingedenk Mr. Treyers Verhalten gegenüber Aushilfsschreibkräften, »sagst du mir Bescheid, dann bringe ich ihn um.«
»O Lockhart, Liebling, du bist so ritterlich«, sagte Jessica stolz. »Laß uns heute abend küssen und knuddeln.«
Aber Lockhart hatte andere Pläne für den Abend, so daß Jessica allein zu Bett ging. Lockhart kroch durch das Unterholz des Vogelschutzgebietes bis zum Garten der Racemes, kletterte über den Zaun und ließ sich in einem Kirschbaum nieder, von dem aus man in das Schlafzimmer der Racemes sehen konnte. Er war zu dem Schluß gekommen, daß Mr. Racemes seltsame Angewohnheit, seiner Frau zu gestatten, ihn eine Dreiviertelstunde lang an ihr Doppelbett zu fesseln, ihm nützliche Informationen für später liefern könnte. Doch er wurde enttäuscht. Mr. und Mrs. Raceme aßen zu Abend und sahen fern, ehe sie sich früh und ungefesselt schlafen legten. Um elf löschten sie das Licht, und Lockhart stieg vom Kirschbaum herunter und machte sich gerade über den Zaun auf den Nachhauseweg, als die Pettigrews in Nummer 6 Little Willie ins Freie ließen und sich ein Glas Ovomaltine machten. Angezogen von Lockharts Marsch durch den Stechginster, sprintete der Dackel kläffend durch den Garten und blieb bellend im Dunkeln stehen. Lockhart zog sich zurück, doch der Hund ließ nicht von ihm ab, und schon kam Mr. Pettigrew über den Rasen, um nach dem Rechten zu sehen.
»Nun hör schon mit dem Lärm auf, Willie«, sagte er. »Braver Hund. Da ist doch gar nichts.«
Doch Willie wußte es besser und unternahm, ermutigt durch die Anwesenheit seines Herrchens, weitere Ausfälle in Lockharts Richtung. Schließlich nahm Mr. Pettigrew den Hund auf den Arm, trug ihn ins Haus zurück und ließ Lockhart mit dem Vorsatz allein, so bald wie möglich etwas wegen Willie zu unternehmen.

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