Familienbande
Werkstatt seines verblichenen Schwiegervaters.
»Ich weiß wirklich nicht, was du den lieben langen Tag treibst, Liebling«, sagte Jessica, die inzwischen nicht mehr in einer Zementfabrik, sondern in einer Anwaltskanzlei arbeitete, die sich auf Beleidigungsklagen spezialisiert hatte.
»Ich sorge für unsere Zukunft vor«, antwortete Lockhart.
»Mit Lautsprechern? Was haben denn Lautsprecher mit unserer Zukunft zu tun?« »Mehr als du ahnst.« »Und dieses Sendeding, hat das auch etwas mit unserer
Zukunft zu tun?« »Mit unserer Zukunft und der der Wilsons von nebenan«, sagte Lockhart. »Wo hat deine Mutter die Schlüssel für die
Häuser aufbewahrt?« »Meinst du die Häuser, die Daddy mir vermacht hat?« Lockhart nickte, woraufhin Jessica in einer Küchenschublade
kramte. »Hier sind sie«, sagte sie. »Du willst doch nicht etwa irgendwas stehlen, oder?« »Aber nicht doch«, sagte Lockhart bestimmt, »wenn überhaupt, will ich ihren Besitzstand erweitern.«
»Ach so, dagegen ist ja nichts einzuwenden«, befand Jessica und reichte ihm den Schlüsselbund. »Bei der Vorstellung, daß du etwas Unrechtmäßiges tust, hätte ich kein gutes Gefühl. Durch meine Arbeit bei Gibling und Gibling habe ich gelernt, wie leicht man sich in furchtbare Schwierigkeiten bringen kann. Wußtest du, daß man um Tausende von Pfund verklagt werden kann, wenn man ein Buch schreibt und darin gemeine Dinge über jemanden behauptet? Das nennt man Beleidigung.«
»Dann wünschte ich, jemand würde gemeine Dinge über uns schreiben«, sagte Lockhart. »Wir brauchen Tausende von Pfund, wenn ich jemals nach meinem Vater suchen soll.«
»Ja, eine Beleidigungsklage, das wäre was, nicht wahr?« sagte Jessica verträumt. »Aber du versprichst doch, daß du nichts unternimmst, was uns in Schwierigkeiten bringen kann, oder?«
Lockhart versprach es. Aus vollem Herzen. Was er vorhatte, würde andere in Schwierigkeiten bringen.
In der Zwischenzeit hieß es abwarten. Drei Tage verstrichen, bis die Wilsons abends ausgingen und Lockhart sich über den Zaun in ihren Garten schleichen und in das Haus Nummer 11 eindringen konnte. Unter dem Arm trug er eine Schachtel. Er verbrachte eine Stunde auf dem Dachboden, ehe er mit leeren Händen nach Hause kam.
»Jessica, mein Schatz«, sagte er, »ich möchte, daß du in die Werkstatt gehst und fünf Minuten wartest. Dann sagst du ‹Testing, Testing, Testing¤ in den kleinen Sender. Vorher drückst du auf den roten Knopf.«
Lockhart schlich sich wieder in das Haus der Wilsons, kletterte auf den Dachboden und wartete. Bald darauf hallte Jessicas Stimme schaurig aus den unter der Glasfaserisolierung verborgenen und mit dem in einer Ecke versteckten Empfänger verbundenen Lautsprechern wider. Ein Lautsprecher war über dem Hauptschlafzimmer der Wilsons angebracht, ein zweiter über dem Bad und ein dritter über dem Gästezimmer. Lockhart lauschte, dann ging er nach unten und nach Hause.
»Du kannst schon ins Bett gehen«, teilte er Jessica mit, »ich bleibe bestimmt nicht lange.« Dann nahm er am Vorderfenster Aufstellung und wartete, daß die Wilsons zurückkamen. Sie hatten einen angenehmen Abend verbracht und waren höchst metaphysisch gestimmt. Lockhart beobachtete, wie in ihrem Schlafzimmer das Licht anging, ehe er seinen Beitrag zu ihrem Glauben an das Übernatürliche leistete. Er hielt sich mit Daumen und Zeigefinger die Nase zu und flüsterte mit einer Stimme, als hätte er Polypen: »Ich spreche von jenseits des Grabes. Höret meine Worte. Es wird einen Todesfall in eurem Hause geben, und ihr werdet euch zu mir gesellen.« Dann schaltete er den Sender ab und begab sich in die Nacht hinaus, um die Wirkung seiner Rede besser beobachten zu können.
Sie war, gelinde gesagt, umwerfend. In jedem Zimmer des Nachbarhauses gingen die Lichter an, und man konnte die an die sanfteren Botschaften der Alphabettafel gewöhnte Mrs. Wilson ob dieser authentischen Stimme der Verdammnis hysterisch schreien hören. Der in einem Azaleenbusch neben der Auffahrt hockende Lockhart vernahm, wie Mr. Wilson seine Frau zu beruhigen versuchte, was dadurch erschwert wurde, daß er selbst offensichtlich ängstlich war und unmöglich abstreiten konnte, gehört zu haben, es würde einen Todesfall im Haus geben.
»Leugnen ist zwecklos«, zeterte Mrs. Wilson, »du hast es genauso deutlich gehört wie ich, dabei warst du im Bad, und sieh dir bloß mal an, was für eine Schweinerei du auf dem Fußboden angerichtet hast!«
Mr. Wilson mußte
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