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Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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zugeben, daß er daneben gezielt hatte und die Schweinerei œ gemäß Mrs. Wilsons unfehlbarer Logik œ darauf zurückzuführen war, daß er von dem kurz bevorstehenden Todesfall gehört hatte.
»Ich hab dir immer gesagt, wir hätten mit diesem verfluchten Tischerücken gar nicht anfangen sollen!« schrie er. »Nun schau dir doch an, was du gerufen und auf uns losgelassen hast.«
»Recht so, gib nur mir die Schuld«, brüllte Mrs. Wilson, »wie du es sowieso immer tust. Ich habe lediglich Mrs. Saphegie eingeladen, um herauszufinden, ob sie wirklich medial begabt ist und unsere verstorbenen Verwandten ihr antworten.«
»Na, jetzt weißt du‘s jedenfalls, verdammt noch mal«, tobte Wilson. »Und die Stimme eines verstorbenen Verwandten von mir war das nicht, soviel steht fest. In unserer Familie hatte niemand so ein Nasenleiden. Damit du‘s weißt, ich glaube nicht, daß es gut gegen Nebenhöhlenentzündung ist, wenn man in seinem Sarg liegt und zerfällt.«
»Da haben wir‘s wieder«, jammerte Mrs. Wilson. »Einer von uns beiden wird sterben, und du redest ständig von Särgen. Und kipp dir nicht den ganzen Brandy hinter die Binde. Ich will auch welchen.«
»Ich wußte gar nicht, daß du trinkst«, sagte Mr. Wilson.
»Ab jetzt tu ich es«, entgegnete seine Frau und genehmigte sich offenbar einen kräftigen Schluck. Lockhart verließ die zwei, als sie sich gerade nicht sehr erfolgreich damit trösteten, daß es wenigstens ein Leben nach dem Tode gäbe. Es schien Mrs. Wilson kein sehr großer Trost zu sein.
Doch während die Wilsons noch Mutmaßungen über die aktuelle Frage anstellten, ob es ein Leben nach dem Tode gab, ging Little Willie, der Dackel der Pettigrews, einen Schritt weiter und fand es heraus. Mr. Pettigrew ließ ihn ins Freie, und pünktlich zog der im Vogelschutzgebiet lauernde Lockhart an der unter dem Zaun über den Rasen verlaufenden Angelschnur. Das am Schnurende hängende, morgens beim Fleischer erstandene Stück Leber huschte im Zickzackkurs über das Gras. Verfolgt wurde es, diesmal törichterweise geräuschlos, von Little Willie. Er kam nicht weit. Als die Leber an der Falle vorbeirutschte, die Lockhart am Ende des Rasens aufgestellt hatte, hielt Willie an und gab nach kurzem Kampf nicht nur die Verfolgung auf, sondern hauchte auch sein Leben aus. Lockhart begrub ihn unter einem Rosenstrauch in einer Ecke seines eigenen Gartens, wo er höchst willkommen war, und ging quietschfidel schlafen, da er nicht nur seine ersten beiden Aufgaben erledigt hatte, sondern auch in allen Zimmern des Wilsonschen Hauses noch Licht brannte, als er sich um drei Uhr morgens auf die andere Seite drehte, und man aus dem Haus das Schluchzen Betrunkener hörte.
     

Kapitel 10
     
    Während Lockhart anfing, den in den Häusern seiner Frau wohnenden Mietern die Hölle heiß zu machen, gab sich deren Mutter die allergrößte Mühe, Mr. Flawse das Leben zur Hölle zu machen. Das Wetter war nicht auf ihrer Seite. Auf einen lauen Frühling folgte ein heißer Sommer, und Flawse Hall zeigte sich von seiner besten Seite. Die dicken Mauern des Herrenhauses waren zu mehr nütze, als die Schotten draußen und den Whisky drinnen zu halten; sie hielten auch die Sommerhitze ab. Draußen mochten die Jagdhundhybriden im knochentrockenen Staub des Hofes sabbern und hecheln; drinnen konnte Mr. Flawse zufrieden an seinem Schreibtisch sitzen und über den Kirchenbüchern und uralten Landurkunden brüten, die in letzter Zeit sein ein und alles geworden waren. Wohlwissend, daß er zu gegebener Zeit zu seinen Ahnen versammelt werden würde, hielt er es für eine gute Idee, sich mit den Irrtümern und Verfehlungen seiner Familie zu befassen.
Daß er sich nur mit den unangenehmen Seiten dieser Geschichte befaßte, rührte von dem ihm eigenen Pessimismus, gepaart mit Selbsterkenntnis her. Daher erstaunte ihn die Erkenntnis, daß nicht sämtliche Flawses skrupellos und schlecht gewesen waren. Es gab heilige wie sündige Flawses, und wenn auch letztere, wie von ihm nicht anders erwartet, überwogen, so zeichnete ihre Handlungen doch ein Hauch von Großzügigkeit aus, den er bewundern mußte, ob er wollte oder nicht. Ein gewisser Quentin Flawse, der einen gewissen Thomas Tidley ermordet, oder, wie es damals höflicher formuliert worden war, im Duell vom Leben zum Tode befördert hatte, alldieweil letzterer bei der Schafschur in Otterburn angedeutet hatte, der Name Flawse leite sich von den Faas ab, einer besonders für ihre Diebereien

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