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Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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«
Unten im Keller hatte Mr. Taglioni mehr als zwei und zwei zusammengegossen und soff sich mit altem Portwein um den Verstand. Umgeben von leeren Flaschen, saß er da und verkündete lallend, er sei der beste Stopfer der Welt.
Normalerweise verwendete er dieses Wort nicht, aber so komplizierte Fremdwörter wie Präparator bewältigte seine Zunge nicht mehr.
»Da prahlt und plappert er wieder«, sagte Mr. Dodd, als er mit Lockhart auf der obersten Kellertreppe stand, »der beste Stopfer der Welt, was er nicht sagt. Für meinen Geschmack hat dieses Wort zu viele Bedeutungen.«
Mrs. Flawse teilte seine Abneigung. Ans Bett gebunden, auf dem sie von ihrem verstorbenen, ausgestopften Mann gestopft worden war, jagte ihr Mr. Taglionis Kunstfertigkeit kalte Schauer über den Rücken. Mr. Flawse war auch keine Hilfe. Mr. Dodd hatte eine »Familiengeschichte, Erkenntnisse beim Studium der« betitelte Kassette eingelegt, die kaum am Ende angelangt war, als sie sich dank Lockharts elektronischer Erfindungsgabe zurückspulte und ihre Erkenntnisse ad nauseam wiederholte. Da das Band fünfundvierzig Minuten Spieldauer hatte und drei fürs Zurückspulen brauchte, wurde Mrs. Flawse von unten Mr. Taglionis besoffenen Prahlereien ausgesetzt, aus dem gegenüberliegenden Schlafzimmer dagegen endlosen Wiederholungen der Moritat von Henker Flawse, wie Bischof Flawse auf den Scheiterhaufen ging, sowie einem Vortrag des Liedes, das Minnesänger Flawse unter dem Galgen von sich gegeben hatte. Letzteres ging ihr am meisten an die Nieren.
     
    »Ich weiß nicht wo meine Organe sind
    Wenn ich im Bette lieg ich Tropf
    Also hängt mich lieber verkehrt auf geschwind
    Statt an meinem leeren Kopf.«
    Die erste Strophe war schlimm genug, doch dann kam es noch schlimmer. Als Mrs. Flawse den alten Mann scheinbar fünfzehn Mal hatte fordern hören, daß man Sir Oswald seinen Arsch aufstemmen und ihm seinen Schwanz zurückbringen solle, weil er Oswalds Tod kaum erwarten könne, damit er endlich zum Pissen käme, ging es ihr kaum anders. Nicht, daß sie einen Schwanz haben wollte, aber sie konnte nicht mehr lange warten, weil sie pissen mußte. Und den ganzen Tag über saßen Lockhart und Mr. Dodd außer Hörweite in der Küche und beratschlagten hin und her.
»Wir können den Südländer nicht laufenlassen«, sagte Mr. Dodd. »Es wäre besser, ihn ein für allemal loszuwerden.«
Doch Lockhart dachte praktischer. Mr. Taglionis wiederholtes Prahlen, er sei der beste Stopfer der Welt, und die Zweideutigkeit dieser Bemerkung gaben ihm Zeit und Stoff zum Nachdenken. Mr. Dodds Verhalten war ebenfalls eigenartig. Daß er hartnäckig bestritt, Mr. Boscombe in Dry Bones sei Miss Flawses Liebhaber und Lockhans Vater gewesen, hatte ihn überzeugt. Wenn Mr. Dodd etwas sagte, stimmte es unweigerlich. Jedenfalls belog er Lockhart nicht œ oder hatte es bisher nicht getan. Und nun behauptete er kategorisch, die Briefe seien keine Hilfe. Davor hatten ihn Miss Deyntry und die RomaœFrau gewarnt. »Papier und Tinte werden dir nicht helfen.« Lockhart fand sich damit zwar ab, doch ohne Mr. Boscombe hatte er keinerlei Hoffnung, seinen Vater zu finden, bevor der Tod seines Großvaters bekannt wurde. So gesehen hatte Mr. Dodd recht. Mrs. Flawse wußte Bescheid und würde erzählen, was sie wußte, sobald sie frei war. Ihr crescendo anschwellendes Geschrei, das sogar die Familiengeschichte des alten Mr. Flawse und Mr. Taglionis wirre Äußerungen übertönte, veranlaßte Lockhart, ihr zu Hilfe zu eilen. Als er endlich die Schlafzimmertür aufschloß, schrie sie, wenn sie nicht sofort pinkeln könne, würde sie platzen. Lockhart band sie los, und sie wankte zum Plumpsklo. Als sie in die Küche zurückkam, hatte Lockhart eine Entscheidung getroffen.
»Ich habe meinen Vater gefunden«, verkündete er. Mrs. Flawse starrte ihn angewidert an. »Du bist ein Lügner«, sagte sie, »ein Lügner und Mörder. Ich habe gesehen, was du mit deinem Großvater hast machen lassen, und glaub‘ ja nicht ...«
Das tat Lockhart nicht. Er und Mr. Dodd zerrten Mrs. Flawse in ihr Zimmer und banden sie erneut ans Bett. Diesmal verpaßten sie ihr einen Knebel.
»Ich hab‘s dir doch gesagt, die olle Hexe weiß zuviel«, sagte Mr. Dodd, »und da sie fürs Geld gelebt hat, wird sie nicht ohne welches sterben, da kannste ihr noch soviel drohen.«
»Dann müssen wir ihr eben zuvorkommen«, sagte Lockhart und ging in den Keller. Mr. Taglioni, soeben bei seiner fünften Flasche angelangt, musterte ihn

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