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Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Schwangerschaft verantwortlich sei. Anschließend brachte er das Auto nach Divit Hall zurück.
Lockhart und Mr. Taglioni saßen in der Küche, wo der Italiener mit dem Auswendiglernen seiner Aussage zu kämpfen hatte. Oben kämpfte Mrs. Flawse mit ihren Fesseln. Sie war zu dem Entschluß gekommen, daß nichts, nicht einmal die Aussicht auf ein Vermögen, sie dazu bewegen konnte, liegen zu bleiben und auf ein ähnliches Schicksal wie das ihres Mannes zu warten. Sie würde sich unter allen Umständen aus dem Bett befreien und aus dem Herrenhaus verflüchtigen, und nicht einmal die Vorstellung, von der Flawse-Meute verfolgt zu werden, konnte sie an ihren Fluchtplänen hindern. Da sie sich wegen des Knebels nicht stimmlich ausdrücken konnte, konzentrierte sie sich auf die Stricke, mit denen sie an das eiserne Bettgestell gebunden war. Sie schob ihre Hände immer wieder nach unten und zog sie hoch, und zwar mit einer Ausdauer, die Rückschlüsse auf ihre Angst zuließ.
In Hexham versuchte Mr. Bullstrode beharrlich, Dr. Magrew zu überreden, am nächsten Morgen mit ihm nach Flawse Hall zu fahren. Dr. Magrew war nicht leicht zu bewegen. Sein letzter Besuch hatte eine erstaunlich abschreckende Wirkung auf ihn ausgeübt.
»Bullstrode«, sagte er, »in meiner Eigenschaft als Arzt fällt es mir nicht leicht, die vertraulichen Mitteilungen eines Mannes zu enthüllen, den ich seit so vielen Jahren kenne und der in diesem Augenblick höchstwahrscheinlich auf dem Totenbett liegt, aber ich muß Ihnen sagen, daß der alte Edwin ein paar grobe Bemerkungen über Sie fallenließ, als ich ihn zuletzt hörte.«
»Und wenn schon«, sagte Mr. Bullstrode. »Er hat bestimmt deliriert. Auf das Gewäsch eines senilen alten Mannes sollte man nichts geben.«
»Wie wahr«, sagte Dr. Magrew, »doch einige seiner Kommentare entbehrten nicht einer gewissen Präzision, die meines Erachtens keineswegs auf Senilität schließen läßt.«
»Als da wären?« sagte Mr. Bullstrode, doch Dr. Magrew rückte nicht mit der Sprache heraus. »Ich wiederhole keine Beleidigungen«, sagte er, »und ich habe nicht vor, ins Herrenhaus zurückzukehren, ehe Edwin tot oder bereit ist, sich bei Ihnen zu entschuldigen.«
Mr. Bullstrode vertrat einen philosophischeren und finanziell einträglicheren Standpunkt. »Sie als sein Hausarzt wissen bestimmt am besten, was zu tun ist«, sagte er, »ich für mein Teil jedoch habe nicht vor, auf mein Honorar als sein Anwalt zu verzichten, zumal das Erbe umfangreich ist und die Abwicklung eine aufwendige Angelegenheit wird. Außerdem ist das Testament zweideutig genug, um Raum für einen Rechtsstreit zu lassen. Wenn Lockhart seinen Vater gefunden hat, bezweifle ich stark, daß Mrs. Flawse dies nicht anfechten wird, und bei einem solchen längeren Gerichtsverfahren fiele ein Profit von beträchtlicher Höhe ab. Es wäre töricht, Edwin nach so vielen Jahren freundschaftlicher Verbundenheit in der Stunde der Not im Stich zu lassen.«
»Auf Ihre Verantwortung«, sagte Dr. Magrew. »Ich komme mit, aber ich warne Sie. Im Herrenhaus gehen merkwürdige Dinge vor, die mir ganz und gar nicht gefallen.«
     

Kapitel 18
     
    Sie gefielen ihm noch viel weniger, als Mr. Bullstrode am nächsten Morgen sein Auto an der Torbrücke anhielt und wartete, bis Mr. Dodd kam und aufschloß. Sogar auf diese Entfernung konnte man des alten Flawse Stimme hören, die den Allmächtigen verfluchte und ihn für den Zustand des Universums verantwortlich machte. Wie gewöhnlich nahm Mr. Bullstrode eine eher pragmatische Haltung ein.
»Ich möchte nicht behaupten, daß ich seine Ansicht teile«, sagte er, »aber wenn er sich, wie Sie berichten, unfreundlich über mich geäußert hat, befinde ich mich wenigstens in guter Gesellschaft.«
Zehn Minuten später war er es nicht mehr. Mr. Taglioni wirkte alles andere als vertrauenerweckend. Um sich von seiner besten Seite zu zeigen, hatte der Präparator zu viele unerklärliche Schrecken durchgemacht, und obzwar Lockhart die halbe Nacht lang dafür gesorgt hatte, daß sein »Vater« seine neue Rolle perfekt beherrschte, waren Angst und Schlaflosigkeit seinem Aussehen nicht gerade förderlich gewesen. Mr. Taglionis Kleidung hatte ebenfalls gelitten. Lockhart hatte ihm aus der Garderobe seines Großvaters Ersatz für die blutbefleckten Kleidungsstücke zur Verfügung gestellt, die der Präparator vorher getragen hatte, und nichts paßte richtig. Mr. Bullstrode musterte ihn entsetzt, Dr. Magrew mit ärztlicher

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