Familienkonferenz in der Praxis
Wissen Sie, man glaubt einfach nicht, dass jemand bei Licht schlafen kann. Dann dachte ich aber: ›Wenn er bei Licht schläft, stört mich das doch nicht. Es ist ein Problem, das ich besitze … Einfach weil jeder im Dunkeln schläft. Aber warum soll man ihn dazu zwingen, nur weil
jeder andere es tut?‹ Ich habe das bei vielen Dingen festgestellt. Es ist lediglich erforderlich, dass ich eine Zeitlang mit ihnen lebe und meine Widerstände überwinde. Dann erweist sich das Problem sehr bald als gegenstandslos.«
Manchmal ändern Eltern ihre Einstellung auch dadurch, dass sie den Sinn ihrer Vorstellungen infrage stellen oder ihre Berechtigung überprüfen. Oft genügt es, sich klarzumachen, woher man seine Wertvorstellungen überhaupt hat. Dann ist es oft viel einfacher, sie zu verändern. Ebendies wurde einer Mutter klar, als es um Erdnussbutterbrote ging:
»Immer muss es Erdnussbutter und Brot mit Gelee sein. Und das Brot muss braun und darf nicht durchgeschnitten sein, wissen Sie. Was kümmert es mich, ob er sein Brot nicht durchgeschnitten haben will? Weil ich in einem Restaurant gearbeitet habe, und in Restaurants gibt man dem Gast das Brot hübsch säuberlich in Hälften geschnitten mit einer Olive und einer Gurke verziert … Wenn ich mir klarmache, dass er das Recht hat, sein Brot so zu bekommen, wie er es wünscht, was macht mir das schon aus?«
Akzeptieren Sie, was Sie nicht verändern können
»Man muss es hinunterschlucken und den Mund halten.«
»Ich werde damit leben müssen.«
»Man darf ihnen nicht die Möglichkeit nehmen, ihre Entscheidungen selbst zu treffen.«
»Wenn wir ihnen bis zu dem Zeitpunkt, da sie halbwüchsig werden, den Unterschied zwischen Recht und Unrecht nicht beigebracht haben, kann ich nichts mehr tun, um das noch zu ändern.«
»Welches Gesetz schreibt vor, dass meine Kinder mit dem konform gehen müssen, was ich denke?«
Das sind Äußerungen von Eltern, die auf irgendeine Weise die Gelassenheit erworben haben, zu akzeptieren, was sie nicht verändern können. Die ›Familienkonferenz‹ hilft Eltern, ihre Kinder als Menschen anzusehen,
die eigenständig sind und auch das Recht haben, sich dafür zu entscheiden, anders als ihre Eltern zu leben. Viele Verhaltensweisen und Wertvorstellungen von Kindern werden Eltern niemals verändern können. Die einzig logische Alternative besteht darin, diese Tatsache zu akzeptieren. Niemand wird etwas an den Überzeugungen und Werten der Menschen verändern können. Das ist auch so lange nicht bedauerlich, solange niemandem dadurch in irgendeiner greifbaren Weise Schaden zugefügt wird. Kinder wissen ihre Rechte und ihre Freiheit zu schätzen. Ich bin sicher, dass man sie ihnen eines Tages auch garantieren wird.
Hilft die ›Familienkonferenz‹ allen Eltern dabei, zu akzeptieren, dass sie ihre Kinder nicht verändern können? Ich bezweifle das. Und ich weiß auch beim besten Willen nicht, wie wir das ändern können. Hoffentlich werden wir in der Zukunft einmal besser wissen, wie sich bei allen Eltern die grundsätzliche Bereitwilligkeit schaffen lässt, andere zu akzeptieren. Wie diese Bereitschaft aussehen sollte, zeigt sich im folgenden Interview:
»Unser Sohn lebt mit einer Frau zusammen, die mehrere Kinder hat, aber nie verheiratet gewesen ist. Diese Kinder haben noch nicht einmal einen gemeinsamen Vater. Außerdem ist sie etliche Jahre älter. Heute habe ich Kontakt zu ihr. Ich bin mir bewusst, dass mein Sohn sie gewählt hat. Wenn er etwas an ihr findet, dann muss ich sie akzeptieren, da ich ihn liebe. Das ist sehr befreiend! Eines Tages sagte er: ›Mama, was wäre, wenn ich sie heiraten würde?‹ Und ich antwortete: ›Dann, mein Lieber, heiratest du sie, und sie wird deine Frau sein.‹ Ich sagte das wirklich, ohne mich zu belügen … Ich dachte wirklich, in Ordnung, dann bringt er sie her, und sie wird seine Frau sein, und damit basta.«
Woher kommt diese Fähigkeit, jemandem seine Liebe nicht zu entziehen, der eine andere Lebensweise gewählt hat? Wie können wir diese grundsätzliche Bereitschaft, andere zu akzeptieren, fördern? Ich bin der festen Überzeugung, dass dies die wichtigste Voraussetzung für eine wirklich demokratische Gesellschaft ist. Diese Einstellung garantiert nicht nur die Freiheit der anderen, sondern befreit einen auch selbst.
13. Unterschiedliche Einstellungen zur Familienkonferenz und ihre Gründe
W er braucht die ›Familienkonferenz‹? Nur einige Eltern, viele Eltern oder alle Eltern?
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