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Familienkonferenz in der Praxis

Familienkonferenz in der Praxis

Titel: Familienkonferenz in der Praxis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gordon
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Sicherlich, die Einübung in die Elternrolle ist eine verhältnismäßig neue Idee. Es gibt sie noch nicht sehr lange, und sie ist auch noch nicht allgemein akzeptiert als etwas, das Eltern nützte und noch viel weniger als etwas, was unserer ganzen Gesellschaft zugute kommt. Ist es eine Vorstellung, für die die Zeit reif ist? Oder ist es nur eine dieser Moden, die plötzlich in Erscheinung treten und dann rasch in Vergessenheit geraten?
    Alle Eltern brauchen Antworten auf diese Fragen, damit sie entscheiden können, ob die ›Familienkonferenz‹ ihnen nützen und ihr Familienleben verbessern kann.
    Aus den vielen Berichten der Kursabsolventen, mit denen wir Kontakt aufnahmen haben, haben wir erfahren, warum sie sich dazu entschlossen, daran teilzunehmen. Einige waren skeptisch und zögerten ihre Entscheidung hinaus. Andere hatten ein dringendes Bedürfnis nach Hilfe und griffen sofort zu, als sie eine Möglichkeit sahen, geeignete Verhaltensweisen zu erwerben. Manche Mütter nahmen teil, obgleich ihre Männer sich weigerten, sich ebenfalls anzumelden. Außerdem haben wir viele Informationen darüber erhalten, warum Eltern den Gedanken einer Elternausbildung ablehnen oder warum er ihnen bedrohlich erscheint.
    In diesem Kapitel möchte ich über unsere Einsichten berichten. Ich hoffe, den Eltern damit eine eingehendere und klarere Vorstellung von der ›Familienkonferenz‹ zu vermitteln. Mögen sie dann entscheiden, ob sie ihnen oder der Gesellschaft nützen kann. Die Vorstellung, dass die Elternrolle durch eine spezielle Ausbildung eingeübt werden soll, verträgt sich sicherlich nicht mit vielen, weithin anerkannten traditionellen Vorstellungen
über diese Rolle. Solange ich mich erinnern kann, führen Eltern, die auf irgendwelche Schwierigkeiten bei der Erziehung ihrer Kinder stoßen, diese auf die Kinder zurück – Jimmy ist ein »Problemkind«, Sue »passt sich nicht an«, Dave ist »schwer erziehbar«, Kevin ist »überaktiv«, Linda will einfach keine »Autorität anerkennen«, Ray ist »emotional gestört«, Peter ist »schlecht«. Kaum fragen sich die Eltern solcher Kinder einmal, ob die Probleme vielleicht daher rühren, dass es ihnen selbst an den richtigen Techniken fehlt oder dass sie über Verhaltensmuster verfügen, die für die Elternrolle völlig ungeeignet sind. Wenn es dann zu ernsten Rissen in der Eltern-Kind-Beziehung kommt, bringen die Eltern das Kind gewöhnlich irgendwohin, wo es wieder auf Vordermann gebracht werden soll, wo es »beraten«, »angepasst«, »diszipliniert« oder »umerzogen« wird. Nicht selten nehmen Eltern sogar die Hilfe von Ärzten in Anspruch und lassen ihren überaktiven Kindern Pharmaka verschreiben.
    Noch einer zweiten feststehenden Überzeugung begegnet man bei vielen Eltern. Sie meinen, dass der gesellschaftliche Wandel die Schuld an ihren Problemen trage: das allgegenwärtige Fernsehen, das Internet, der Autoritätsverlust, die Drogen, die Auflösung der Großfamilie, der Anstieg der Scheidungsrate, der Zweifel an den grundlegenden moralischen Werten, usw. Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass alle diese Faktoren das Familienleben beeinflussen. Ich glaube aber, dass sich derjenige, der ihnen allein die Schuld zuschiebt, eine recht traditionelle und allzu enge Denkweise zu eigen gemacht hat. Mit ihr allein lässt sich nicht erklären, warum heute in den Familien die Eltern-Kind-Beziehungen so häufig im argen liegen. Diese Denkweise hält die Eltern nur davon ab, den Gedanken in Betracht zu ziehen, dass möglicherweise die Art und Weise, in der sie ihre Elternrolle wahrnehmen, der entscheidende Faktor für die Störungen in der Beziehung zu ihren Kindern sein könnte. Wir haben viele andere Gründe dafür entdeckt, dass Eltern kein Interesse am Elterntraining haben. Wenn die Kursleiter vor Elterngruppen das Programm erläutern und beschreiben, wie es das Familienleben verbessern soll, bekommen sie zu hören, warum die Eltern einem solchen Training ablehnend gegenüberstehen:

    »Es genügt, wenn man seine Kinder liebt.« Diese Überzeugung geht davon aus, dass Liebe so etwas wie ein Medikament ist, das einem in unbegrenztem Maße zur Verfügung steht und das man täglich verabreichen kann, unabhängig davon, wie einem zumute ist oder wie die Kinder sich verhalten. (Wie ich im Fortgang dieses Kapitels zeigen werde, machen viele Eltern die Erfahrung, dass es ihnen schwerfällt, ihre Kinder noch zu lieben, wenn die Probleme ernster werden.)
    »Wir haben jetzt

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