Familienkonferenz in der Praxis
einmal zu überlegen, warum du dich in der Schule so verhalten hast und was du tun kannst, um dein Verhalten zu ändern, da es dir doch Probleme zu schaffen scheint. Wenn du nicht weißt, wie es dir gelingen könnte, dich akzeptabler zu verhalten, sollst du wissen, dass wir nur zu gern bereit sind, mit dir darüber zu sprechen. Ich werde mich bemühen, dir immer für eine solche Unterhaltung zur Verfügung zu stehen.«
Dann sprachen wir über die Nachricht, die Brent mit nach Hause bekommen hatte. Ich vertrat die Auffassung, dass sie letztlich besagte: »Okay, liebe Mutter, machen Sie irgendetwas mit diesem Jungen!« Ich fuhr fort: »Nun gebe ich die Aufforderung an dich weiter. Okay, lieber Brent, mach irgendetwas mit diesem Verhalten. Ich sorge mich sehr um dich und habe das Gefühl, als kümmertest du dich nicht in ähnlicher Weise um mich.«
Brent überlegte nun, wie er die Gunst seines Lehrers zurückgewinnen könne. Er schlug vor, eine Entschuldigung zu schreiben. Das tat er. Ich meinte, dass er durch Kooperationsbereitschaft und Selbstkontrolle im Unterricht beweisen könne, dass seine Entschuldigung ehrlich gemeint sei. Über das Schlagen haben wir nie wieder gesprochen. Dazu gab es überhaupt keinen Anlass mehr.
Als Brent an diesem Abend seinen Vater zur Vordertür hereinkommen hörte, hatte er wirklich Angst. Raymond war wütend und enttäuscht. Er und Brent gingen ins Schlafzimmer. Nach einem längeren Gespräch kamen sie voller Verständnis füreinander wieder heraus. Dies war für uns ein weiterer Schritt auf dem Wege, eine harmonische Familie zu werden. (Zu jener Zeit nahm Raymond am ›Familienkonferenz‹-Kurs teil. Diese Tatsache war entscheidend dafür, dass die positiven Seiten der Vater-Sohn-Interaktion zum Tragen kamen.)
Um noch einmal auf den Vorfall im Bus zurückzukommen, anlässlich dessen meine Nachbarin sich zu unserer Kontrolle »über« Brent geäußert hatte: Ich weiß, dass Brent bereit war, sein Verhalten zu verändern und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Häufig sagen Eltern: »Man kann den Kindern nicht auf Schritt und Tritt folgen und ihr Verhalten stets kontrollieren. Drohungen und Bestrafungen sind notwendig, um den Kindern den Unterschied zwischen Recht und Unrecht beizubringen.« Ganz sicher bin ich der Meinung, dass man seinen Kindern nicht auf Schritt und Tritt folgen kann. Aber Brent hat sich dazu entschieden, uns überallhin mitzunehmen. Er begreift, dass er unser Vertrauen, unsere Sorge und Liebe besitzt, wo immer er ist. Gleichzeitig lernt er es, mit seinen Gefühlen verantwortungsvoll umzugehen. Raymond und ich lernen, unsere beiden Söhne positiv zu beeinflussen. Dieser Einfluss wirkt in unserer Gegenwart und Abwesenheit.
Krieg und Frieden auch in anderen Bereichen: Die Schularbeiten, ein Problem, von dem man weiß, dass es die vernünftigsten Eltern zur Verzweiflung bringt. Brent hasste die Schularbeiten. In der Rangfolge seiner täglichen Beschäftigungen nahmen sie den letzten Platz ein. Raymond und ich bildeten eine geschlossene Front im Namen der elterlichen Verantwortung und versuchten Brent dazu zu bewegen, seine Aufgaben zu machen. Wir konfrontierten ihn mit den üblichen Sprüchen wie: »Du wirst dich besser fühlen, wenn du sie hinter dir hast«; »Du wirst an nichts Spaß haben, solange sie dir noch bevorstehen«; »Alle Kinder müssen Schularbeiten machen« und »Als ich ein Kind war …«
Zuerst versuchte ich durchzusetzen, dass die Schularbeiten sofort nach der Schule gemacht wurden. Dann wäre ich der täglichen Konfrontation ledig gewesen und hätte hoffen dürfen, meinen Abend genießen zu können. Brent konnte es jedoch nicht ausstehen, sich unmittelbar nach der Schule an die Arbeit zu machen. Das galt besonders bei schönem Wetter. Dann wollte er mit seinen Freunden draußen spielen. An regnerischen Tagen wollte er fernsehen. Die Schularbeiten hielten ihn davon ab. Ich machte von jedem denkbaren Argument und jeder Drohung Gebrauch, um zu erreichen, dass die Schularbeiten gleich
nach der Schule gemacht wurden. Aber Brent setzte sich mit Weinen, Auftritten, Wutanfällen und Ähnlichem durch.
Wenn es reicht, dann reicht es. Ich war der Meinung, dass nicht alles an mir hängen bleiben sollte. So ließ ich das große Geschütz auffahren. Raymond wurde dazu verdonnert, jeden Abend nach dem Essen darüber zu wachen, dass die Hausaufgaben erledigt wurden. Wir verstanden dies als ein Disziplinproblem, bei dem entschiedener Nachdruck auf unserer
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