Familienkonferenz in der Praxis
warf sich auf sein Bett und zog das Kissen über seinen Kopf. Liebevoll versuchte ich das Kissen fortzuziehen, um den Augenkontakt wiederherzustellen. Er schluchzte und sagte mir, ich solle mich fortscheren. Ich antwortete, dass wir über diese Frage sprechen und irgendeine Verständigung erzielen müssten. Es war ein hoffnungsloses Unterfangen. Felix redete für den Rest des Abends kein Wort mehr mit mir.
Am nächsten Morgen erörterte ich die Situation mit einer guten Freundin, die sich gleichfalls die Grundsätze der ›Familienkonferenz‹ zu eigen gemacht hatte. Sie hörte mir aktiv zu, als ich mir meine Frustration vom Herzen redete. Dann verhalf sie mir zu der Erkenntnis, dass ich eigentlich an allem schuld war. Ich hatte nicht zur Kenntnis genommen, dass es Felix nicht gefiel, wenn er so eilig aus dem Laden gezerrt wurde. Stattdessen hatte er von mir die Botschaft empfangen, dass mir meine Eiscreme wichtiger als seine Bedürfnisse sei. Zu Hause war ich wie ein Filmstar in sein Zimmer gerauscht und hatte ihm das Fernsehen ausgestellt, ohne seine Bedürfnisse zu berücksichtigen. Schließlich hatte ich versucht, ihm meine guten Absichten aufzudrängen, und, hopp, war ich auf den Bauch gefallen.
Meine Freundin und ich wiederholten die Situation in einem Rollenspiel. Dabei wurde mir einiges sehr viel klarer. Felix fühlte sich wahrscheinlich auf der ganzen Linie als Verlierer. Genau dasselbe tat ich. Wir mussten also von vorne anfangen. Aber wie?
Ich entschloss mich, Felix zu fragen, ob er bereit wäre, sich anzuhören,
was ich da durch die Hilfe meiner Freundin erkannt hatte. Er war bereit. Ich erklärte ihm, dass wir über den Vorfall beim Einkaufen gesprochen hätten und dass ich wirklich den Wunsch hätte, mich bei ihm zu entschuldigen. Schließlich hätte ich ihn sehr unglücklich gemacht. Ich fragte ihn, ob er mir denn jetzt überhaupt noch zutraue, unsere Vereinbarung einzuhalten. Zum ersten Mal seit unserem Konflikt antwortete Felix. Er sagte, ich sei ungerecht, er habe überhaupt keine Chance. Das beweise schon die Tatsache, dass ich ihm das Fernsehen ausgemacht habe. Er meinte, solche Sachen machte ich ständig.
Ich sagte ihm, dass ich seine Hilfe brauche. Er müsse mir solche Dinge sagen. Ich fuhr fort: »Ich muss wissen, was du über die Art und Weise, in der wir miteinander umgehen, denkst und fühlst. Wenn wir lernen können, miteinander zu sprechen und uns mitzuteilen, wenn wir uns in unseren Gefühlen verletzt fühlen, ist unsere Chance viel größer, dass wir beide bekommen, was wir brauchen.«
Hier hörten wir, dass draußen irgendwelche Kinder spielten. Ich vermutete, dass Felix sich ihnen im Geist schon zugesellt hatte. Ich vermied meine übliche Forderung, er solle mich zu Ende anhören, und meinte, er wolle doch sicherlich zu seinen Freunden nach draußen. Ich hoffte aber, dass wir später weitersprechen könnten. Felix sprang auf, rief ein dankbares »In Ordnung!« über seine Schulter zurück und war draußen. Am folgenden Tage kamen wir auf unser Gespräch zurück. Felix wollte wissen: »Warum müssen wir denn noch darüber sprechen?« Ich erklärte ihm, dass ich sehr großen Wert darauf lege. Es sei für uns beide entscheidend, dass wir uns darüber verständigten, wie wir zueinander stünden. Felix wollte wissen, ob das »dieser ganze Gefühlskram« sei, um dessentwillen ich die Schule (meinen ›Familienkonferenz‹-Kurs) besuchte. So verhalte es sich, sagte ich ihm. Ich gestand ihm ein, dass ich sehr unzufrieden mit der Art und Weise sei, in der unser Familienleben vonstatten gehe. »Ich versuche zu lernen, wie ich für euch nicht nur eine Mutter, sondern auch eine Freundin sein kann. Im Kurs sprechen wir über Kinder, die sich von ihren Eltern abwenden, weil sie das Gefühl haben, ihre Eltern verstünden sie nicht oder hörten ihnen nicht zu. Ich
möchte nicht, dass du dich von mir abwendest, Felix, und nichts mehr mit mir zu tun haben möchtest. Ich denke, das ist neulich im Supermarkt passiert. Ich habe versucht, dich zum Zuhören zu zwingen, als du allein sein wolltest. Es fällt mir schwer, mich dann zurückzuziehen, weil ich, wie viele Eltern, häufig denke, ich wüsste, was das Beste für dich ist, und ich könnte beurteilen, was für Rechte du hast.«
Felix wollte wissen, was ich mit »Rechten« meinte. Mir wurde klar, dass er nicht recht verstand, was ich von ihm erwartete. Entweder waren wir in der Vergangenheit ganz problemlos miteinander ausgekommen oder sofort in
Weitere Kostenlose Bücher