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Familienkonferenz in der Praxis

Familienkonferenz in der Praxis

Titel: Familienkonferenz in der Praxis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gordon
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übermittelt). Ganz sicher handelt es sich nicht
um die Gefühle, die es in seinem Inneren empfindet. Der Elternteil, der den Kode vernimmt (»Guck mal, das viele Blut!«), muss vermuten oder darauf schließen, was der besondere Kode des Kindes repräsentiert. Der Elternteil ist also mit dem »Entschlüsselungsprozess« befasst. Das Ergebnis dieses Prozesses (in unserem Fall eine zutreffende Entschlüsselung) tritt in der Vorstellung des Elternteils (als Teil seiner Innenwelt) in der Bedeutung »Sie/er ist erschreckt« in Erscheinung.
    Dies ist die Anatomie des Kommunikationsprozesses. Das sieht sehr einfach aus. Diese Abbildung der interpersonellen Kommunikation trägt zwar sehr zu ihrer Klärung bei, doch verläuft der Prozess nicht immer so problemlos. Zum einen kommt dem Entschlüsselungsprozess des Empfängers lediglich der Wert einer Vermutung oder einer Schlussfolgerung zu: Niemand weiß mit Sicherheit, von welcher Vorstellung der Sender ausgeht. In unserem Beispiel könnte der Vater oder die Mutter auch ungenau entschlüsseln. Die folgenden Vermutungen wären vernünftige, aber falsche Entschlüsselungen der Botschaft des Kindes:

    »Sie möchte, dass ich puste.«
    »Er möchte ein Pflaster.«
    »Sie ist wütend auf sich selbst, dass sie hingefallen ist.«
    »Er braucht einen Arzt.«
    »Sie hat schreckliche Schmerzen.«

    In unserem Beispiel wäre jede dieser Schlussfolgerungen (Entschlüsselungen) unzutreffend; das Kind empfindet lediglich Angst.
    Hier drängt sich natürlich die Frage auf, wie denn der Empfänger wissen kann, ob seine Entschlüsselung zutrifft oder nicht. Meine Antwort: Die meisten Eltern versuchen dies in der Position des Empfängers gar nicht herauszufinden. Dabei gibt es dafür ein sehr einfaches Verfahren: die Methode des aktiven Zuhörens ( Abb. 16 ).

    Abbildung 16
    Aktives Zuhören bedeutet lediglich, dass der Empfänger eine verbale »Rückmeldung« der Ergebnisse seines Entschlüsselungsprozesses liefert. Sie teilt dem Sender mit: »Ich glaube, dass du dies fühlst – habe ich recht?«
    In der Regel wird der Sender, hat der Empfänger recht, in irgendeiner Form die Richtigkeit der Rückmeldung bestätigen. Zum Beispiel: »Ja, ich bin erschreckt« oder »Das kann man wohl sagen« oder »Genau!« oder »Ich habe Angst, dass ich verblute« oder »Ich fürchte, das hört nie wieder auf zu bluten«.
    Täuscht sich der Empfänger (hat er falsch entschlüsselt) zum Beispiel: »Du musst schreckliche Schmerzen haben«, korrigiert der Empfänger den Sender gewöhnlich mit einer Botschaft wie zum Beispiel:

    »Nein, das tut gar nicht so weh« oder »Nein, ich habe nur Angst« oder »Du verstehst mich nicht«. Durch die Rückmeldung – das aktive Zuhören – verfügt der Empfänger über ein zuverlässiges Verfahren, festzustellen, ob er die Botschaft des Senders richtig verstanden hat. Bisher besaßen wir eine Vorstellung vom üblichen »Kommunikationsprozess«.

    Nun wissen wir, wie der Prozess effektiver Kommunikation aussieht: Der Empfänger versteht, was der Sender meint, und – was genauso wichtig ist – der Sender weiß es!
    Warum wir Eltern im aktiven Zuhören unterrichten
    Weil Eltern so sehr daran gewöhnt sind, zu warnen, zu moralisieren, Belehrungen zu erteilen, zu fragen, zu urteilen, zu trösten, ist es nur allzu verständlich, dass sie sich fragen, warum sie ihre Gewohnheiten verändern müssen, warum sie plötzlich anders zu ihren Kindern reden und einen Großteil ihrer Zeit darauf verwenden sollen, diese merkwürdige neue Reaktionsweise zu praktizieren. Unsere Antwort lautet immer gleich: Sie werden viel unerwarteten und kaum glaubhaften Nutzen aus dem aktiven Zuhören ziehen – Nutzen für sich und ihre Kinder.
    Die Gefühle verblassen
    Viele Menschen glauben, sie könnten bestimmte Empfindungen dadurch loswerden, dass sie sie unterdrücken und vergessen. Tatsächlich verlieren sich störende Gefühle viel eher, wenn sie offen geäußert werden. Eltern können durch das aktive Zuhören ihren Kindern helfen, genau auszudrücken, was sie empfinden. Dann scheinen sich die Gefühle häufig in Luft aufzulösen.
    Die Gefühle werden freundlich
    »Gefühle sind freundlich« ist ein Ausdruck, den wir in unseren Kursen verwenden, damit die Eltern akzeptieren, dass Gefühle nicht »schlecht« sind. Durch aktives Zuhören akzeptieren Eltern die Gefühle ihrer Kinder. Dies hilft den Kindern, sie ebenfalls zu akzeptieren. Sie lernen durch die Reaktionen ihrer Eltern, dass Gefühle

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