Familienkonferenz in der Praxis
wir Eltern sagen:
»Schließlich verfügen Eltern über mehr Erfahrungen und Informationen als Kinder.«
Ganz offensichtlich haben wir uns in der ›Familienkonferenz‹ nicht ausreichend mit diesem Problem befasst. Deswegen hat es so häufig Verwirrung bei den Eltern gestiftet. Vielleicht kann ich das Versäumte hier nachholen. Machen wir uns zuerst noch einmal klar, dass jene Phänomene, die wir Kommunikationssperren nennen, jene zwölf typischen sprachlichen Reaktionen sind, die Eltern zeigen, wann das Kind mit einem Problem zu tun hat – wann das Kind bekümmert, frustriert, ängstlich, verwirrt, unglücklich oder sonst unzufrieden ist. In solchen Fällen kann der Umstand, dass die Eltern Fakten und Informationen liefern, jeder weiteren Kommunikation ein Ende setzen, Widerstand hervorrufen und das Problemlösungsverhalten des Kindes hemmen. Es gibt viele Gründe dafür, dass unter solchen Bedingungen jede Art von Belehrung unter Umständen unerwünschte Folgen haben kann:
Kinder (und Menschen im Allgemeinen) sind nicht bereit, auf logische Argumente zu hören, wenn sie erregt sind und sich über ihre Gefühle klarwerden müssen.
Häufig wissen Kinder bereits das, was wir ihnen als große Weisheit mitteilen. Sie wollen nicht hören, was sie bereits wissen.
Häufig kommen Eltern schon mit Ratschlägen, bevor sie begriffen haben, worin eigentlich das Problem besteht. Dann ist ihre Hilfe irrelevant und unangebracht.
Belehrungen und Vorträge geben Kindern häufig das Gefühl, sie würden bevormundet. Die Botschaft, die sie vernehmen, läuft im Wesentlichen auf das Folgende hinaus: »Du hast keine Ahnung, aber ich bin informiert. Ich bin klüger als du.« Solche Botschaften sind selten willkommen.
Wenn ein Elternteil einem Kind, das mit einem Problem beschäftigt ist, Ratschläge gibt, schaltet er sich in den Problemlösungsprozess als Beteiligter ein. Die Botschaft lautet dann: »Du kannst das
Problem nicht ohne meine Hilfe lösen.« Und das ist häufig gar nicht erwünscht. Außerdem wird das Kind daran gehindert, die Verantwortung für die Lösung des Problems allein zu tragen und unabhängig zu werden.
Deshalb sind Personen in Helferberufen (Eheberater, Erziehungsberater, Therapeuten) außerordentlich zurückhaltend damit, den Menschen irgendwelche »Ratschläge« für ihre persönlichen Probleme zu geben. Andere Reaktionsweisen sind weit unproblematischer und auf lange Sicht effektiver. Fähige Therapeuten verlassen sich in weit höherem Maße auf das Zuhören.
In einigen Situationen kann es aber nützlich sein, einem Kind einen Rat zu geben – es meinetwegen zu belehren. Es ist sehr schwierig, diese Situationen genau zu definieren. Deshalb nur einige Richtlinien:
Man muss einigermaßen sicher sein, dass die Ratschläge für das eigentliche Problem des Kindes relevant sind.
Man muss sicher sein, dass das Kind sich nicht selbst helfen kann.
Man muss das Empfinden haben, dass das Kind bereit ist, die Belehrung entgegenzunehmen – das heißt, dass es einen als Ratgeber akzeptiert.
Man muss von dem Rat, den man gibt, überzeugt sein.
Ich glaube, dass Ratschläge oder Hinweise angebracht und / oder nützlich sind, wenn ein Kind sagt:
»Ich verstehe die Betriebsanleitung zur Montage des Fahrrads nicht recht. Verstehst du diesen Absatz?«
»Ich fürchte, wenn ich mir ein Pflaster aufs Knie mache, schmerzt es auf der Wunde. Gibt es eine andere Möglichkeit?«
»Seit dem Umzug vermisse ich mein Skateboard. Ich habe schon überall nachgesehen.«
Belehrungen oder Ratschläge wären jedoch nach meiner Auffassung überflüssig und für den Fortgang der Kommunikation hinderlich, wenn ein Kind sagt:
»Ich kann diese Matheaufgaben einfach nicht. Entweder sind sie zu schwer, oder ich bin zu dumm.«
»Ich weiß nicht, wie viele Kinder ich zu meiner Geburtstagsfeier einladen soll. Ich habe nur vier Freunde, bei denen ich ganz sicher bin. Das ist schon ein Problem!«
»Es gelingt mir einfach nicht, abzunehmen. Es ist einfach unmöglich. Ganz egal, wie wenig ich esse, ich behalte mein Gewicht.«
Noch ein letztes Wort zu diesem Problem. Erinnern wir uns an den Abschnitt: »Wenn Kommunikationssperren keine Sperren sind«. Die entscheidende These war, dass die meisten Sperren von den Kindern nicht als Kommunikationshindernisse empfunden werden, wenn die Beziehung problemlos ist. Auch Ratschläge und Belehrungen machen da keine Ausnahme. Eltern dürfen sich ihrer unbedenklich bedienen, ohne fürchten zu müssen, die
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