Familienkonferenz in der Praxis
mich, dass es mir sehr merkwürdig vorkam, als ich es das erste Mal versuchte. Es hörte sich sehr unecht an … Meine Kinder schienen
zwar viel aufgeschlossener zu sein, aber ich behielt ein merkwürdiges Gefühl dabei … Ich vermute, es kam daher, dass ich bis dahin meinen Kindern niemals richtig zugehört hatte.«
Andere Eltern reagierten ähnlich:
»Letztes Jahr hatte mein 24-jähriger Stiefsohn eine unglückliche Liebesgeschichte hinter sich. Ich versuchte, ihm aktiv zuzuhören. Ich glaube nicht, dass es ein großer Erfolg war. Ich fühlte mich dabei scheußlich … Es hörte sich so dämlich an!«
»Es war ein sehr merkwürdiges Gefühl. Ich erinnere mich, dass wir beim Abendbrot saßen. Mein Mann war wegen irgendeiner Geschichte, die mit seiner Arbeit zusammenhing, sehr niedergeschlagen. Ich versuchte, ihm aktiv zuzuhören … Ich kam mir anfangs irgendwie sehr künstlich vor. Nach einiger Zeit gab sich das. Es kam mir überhaupt nicht mehr unnatürlich vor.«
»Ich glaube, anfangs war ich sehr gespreizt … Es war eine ganz neue Erfahrung, wissen Sie … Vielleicht empfand ich anfangs noch nicht richtig mit ihm – ich war eben anfangs sehr linkisch. Es war eine neue Form der Beziehung … Trotzdem sah ich schon so viel Erfolg, dass ich es weiter versuchen wollte, auch wenn ich manchmal entmutigt wurde.«
Ohne Zweifel ist aktives Zuhören eine neue Art der Kommunikation – eine neue Einstellung gegenüber einer Person, die ein Problem hat, eine neue Reaktionsweise gegenüber dem anderen Menschen. Es unterscheidet sich von den typischen Kommunikationssperren wie der Tag von der Nacht. So ist es kein Wunder, dass sich die Eltern merkwürdig, unecht, gespreizt, künstlich, komisch, wie Hochstapler vorkommen. Kaum jemand wird dieses Anfangsstadium durchlaufen, ohne dass ihm aktives Zuhören unnatürlich erscheint.
Sich die Technik des aktiven Zuhörens anzueignen, kann mit dem Bemühen verglichen werden, irgendetwas Neues zu lernen: Tennis, Golf, Tanzen oder den Gebrauch von Essstäbchen. Der Lernende
kommt sich unvermeidlich tollpatschig und linkisch vor. Dabei müssen Eltern, die sich bemühen, aktives Zuhören zu lernen, nicht nur eine neue verbale Verhaltensweise erlernen, sondern auch alte sprachliche Gewohnheiten verlernen. Glücklicherweise überwinden die meisten Eltern bei ausreichender Praxis und Erfahrung dieses Anfangsstadium und empfinden die neue Technik bald als viel natürlicher.
Anfangs ist das aktive Zuhören ein »mechanisches Verfahren«. Es wird sehr bewusst und überlegt angewendet. Häufig geschieht es ohne Empfindung. Wenn sich die Eltern seiner dann länger bedienen, erleben sie, wie das Gefühl der Fürsorge und Einfühlung in ihnen erwacht (»das Empfinden, bei ihm zu sein«, wie eine Mutter es ausdrückte). Dann wird die Einstellung zu der neuen Technik positiver, wie es in den oben wiedergegebenen Auszügen von den Eltern zum Ausdruck gebracht wurde: »Es ist eine neue Form der Beziehung«, »Es kam mir überhaupt nicht mehr unnatürlich vor«, »Mir wurde bewusst, dass es eine besondere Art der Zuwendung ist, die eine wirkliche Kommunikation ermöglicht«. Vor allem Fachleute haben dem aktiven Zuhören zum Vorwurf gemacht, es sei eine rein mechanische Technik. Man solle sie Eltern nicht beibringen, weil diese nicht die Einfühlung und das Interesse besäßen, das für einen guten Therapeuten so notwendig sei. Zuerst müsse man diese Einstellungen und Gefühle vermitteln – so bringen die Kritiker vor. Unsere Erfahrung ist ganz anders: Wenn Eltern die Technik lernen und lange genug verwenden, stellen sich die erforderlichen Einstellungen und Gefühle von allein ein. Anfangs erfolgt die Anwendung des aktiven Zuhörens rein mechanisch. Im Laufe der Zeit bringt sie aber die Eltern dazu, sich ihren Kindern zuzuwenden und sie wirklich zu akzeptieren. Trifft diese Erklärung zu, dürfen wir viel optimistischer als bisher sein. Dann liegt es im Bereich des Möglichen, eine Gesellschaft zu schaffen, deren Kinder in einem Klima der Anerkennung, Fürsorge und des einfühlsamen Verständnisses erzogen werden.
Wenn Kinder nicht reden wollen
Im sicheren Gefühl, aktives Zuhören gelernt zu haben, und in der Erwartung, es erfolgreich anwenden zu können, stellen Eltern mehr als einmal fest, dass sich ihr Kind einfach nicht aufgeschlossener und mitteilsamer verhält. Sie beklagen den Unterschied zu den »Lehrbuchbeispielen, die wir im Kursus behandelt haben«.
»Wenn ich sie
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