Familienpackung
Das könnte ein fataler Fehler auf den letzten Metern sein. Wenn er merkt, dass genau das meine Absicht war. »Gut«, sage ich, ganz leicht seufzend, »dann mache ich halt alles allein. Aber wehe, du meckerst hinterher.« Er schüttelt den Kopf und ist augenscheinlich sehr froh, dass das Gespräch damit beendet ist.
Ich habe drei Monate Zeit, um die Hochzeit zu planen. Das klingt nach reichlich Zeit, ist aber für ein logistisches Großunternehmen, wie das einer Hochzeit, nicht sehr viel. Termin festlegen, Gästeliste erstellen, Einladungen verschicken, Kleid auftreiben, Frisur überdenken, Partylocation, DJ , Florist und Fotograf finden. Essen und Trinken auswählen. Und immerzu: Kalkulieren, entsetzt sein, neu kalkulieren, wieder entsetzt sein. Eine Hochzeit scheint, da muss ich Christoph schon während der Planung Recht geben, eine verdammt teure Angelegenheit zu sein. Die schwierigste Frage aber: Wen lade ich ein und vor allem wen nicht? Familie ist klar. Eltern, Großeltern soweit vorhanden und Geschwister mit Anhang. Aber wie weit geht man? Was tun mit Kusinen, Großtanten und Co.? Natürlich sind die im Wortsinne auch Familie. Muss man sie deswegen einladen,
obwohl man sie ansonsten niemals trifft und oft auch recht froh darüber ist? Ich entscheide – unter dem sanften Druck meiner Mutter –, die gesamte Bagage einzuladen. Bei den Kollegen halte ich mich zurück. Ist ja kein Belegschaftstreffen. Ich lade nur Sandra ein. Meine Lieblingskollegin. Dann die Frage: Lädt man automatisch immer paarweise ein? Was tun mit unliebsamen Anhängseln? Ist es sehr unhöflich zu sagen: »Wir freuen uns, wenn DU kommst (aber lass diesen Stoffel, mit dem du merkwürdiger- und unerklärlicherweise zusammen bist, ja zu Hause!).« Ich wäre beleidigt, wenn man mich zu einer Hochzeit ohne Christoph einladen würde, und schon deshalb lade ich schweren Herzens auch die Partner ein, aus denen ich mir so gar nichts mache.
Dann, als die Liste mit den Namen endlich steht – 64 Personen immerhin –, die Frage, wie lade ich ein. Eine kleine E-Mail ist für eine Hochzeit wohl kaum angebracht. Schweres Büttenpapier, bedruckt, gerne goldgeprägt, findet meine Mutter stilvoll und adäquat. Ich bin unschlüssig. Das kann ich bei der Silberhochzeit immer noch machen, zudem sind wir keine Adeligen. Und eine so vornehme Einladung lässt auch einige Rückschlüsse zu. Auf das Essen zum Beispiel. Man kann nun wirklich schlecht einladen wie Graf Koks und dann Frikadellen mit Kartoffelsalat servieren. Überhaupt: Lieber Büfett oder gesetztes Essen? Mir geht das Gerenne beim Büfett immer ein wenig auf den Wecker. Andererseits hat man da eine gewisse Auswahl und bei einem Menü kann es nun mal passieren, dass den Gästen das Essen nicht zusagt. Und wenn schon. So ausgehungert ist ja heutzutage kaum jemand hier in diesen Breitengraden. Ich entscheide: Gesetztes Essen mit Tischordnung. Wenn sich jeder setzen darf wie er will, dann hocken immer die
gleichen Leute zusammen. Mit einer Tischordnung hat man auch die Chance, unliebsame Verwandte oder Bekannte gut zu parken. Eine geschwätzige Tante neben einen leicht schwerhörigen Kollegen und Ähnliches. Eine Tischordnung kann auch so etwas wie stille Rache sein. Die nervige Kusine neben den tatschigen Opa und beide sind schön beschäftigt.
Bevor Tischkärtchen gebastelt werden (es gibt tatsächlich ganze Bücher darüber), steht die Frage an, wo denn gefeiert wird. Eine Hochzeit im Winter hat, was das angeht, ihr Gutes. Man muss sich gar nicht erst den Kopf zerbrechen, ob man lieber drinnen oder draußen feiert oder ob das Restaurant, wenn möglich, beide Varianten bietet. Im Winter braucht man keine Terrasse und es gibt keinen Cocktail auf dem Hof. Ich entscheide mich – weil ich so fair und nett bin, nach Rücksprache mit Christoph – für ein nettes Lokal mit großem Saal ganz bei uns in der Nähe. Ein italienisches Restaurant mit leckerem Essen und erträglichen Preisen. Giovanni, der Chef des Hauses, hilft mir bei der Menüauswahl. Der Raum ist groß genug, um zu tanzen, und hat, für Auftritte jeder Art, sogar eine kleine Bühne. Na also.
Ich hatte mir diese Planungs- und Gestaltungschose spannender vorgestellt. Aber gut. Pech gehabt, Andrea. Selbst in die Grütze geritten.
Fast schwieriger als die Restaurantwahl ist die Frage: Was ziehe ich an? Eine Frage, die mich in meinem Leben schon verdammt viel Zeit gekostet hat. Zeit und Aufwand, der leider selten im Verhältnis zum
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