Familienpackung
Resultat stand. Das soll und muss diesmal anders sein. Ich will eine herausragend schöne und bezaubernde Braut sein. Im normalen Leben ist
bezaubernd nicht das Adjektiv, das man gleich beim ersten Anblick mit mir in Verbindung bringen würde. Aber eine Braut ist eben eine Braut. Außergewöhnliche Momente erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Wer will schon am Tag der Hochzeit aussehen wie immer? Natürlich wäre es schön, man würde mich noch erkennen, aber ein bisschen glamouröser als sonst darf es schon sein.
Meine Schwangerschaft macht die Sache nicht leichter. Heutzutage nehmen Bunte-Promischwangere zwar nur unmerklich zu und sehen selbst im siebenten Monat fast dünner aus als ich im nullten Monat, aber trotz aller Beherrschung will mein Körper nicht so wie die von diesen oberdisziplinierten Vorzeigeschwangeren. Noch bevor ich wusste, dass ich überhaupt wieder schwanger bin, hatte ich Hunger. Alles in mir schreit nach Nahrung. Soll ich da vielleicht weghören? Ohren auf Durchzug stellen? Wie machen die das? Wenn man mir die Nahrung entzieht, werde ich sozial inkompatibel. Darf das Haus nicht mehr verlassen, weil man Angst haben muss, dass ich den nächsten Passanten anfalle und so was wie Mundraub begehe. Und jetzt habe ich die Quittung. Ich bin in der zwölften Woche, sehe aber aus wie gut 20 . Woche. Wahrscheinlich stamme ich in Wirklichkeit von einem Kreppel ab. Oder wie man in anderen Gegenden sagt – Krapfen. Irgendwas, was sehr schnell, sehr gut aufgeht. Ich bin eine Art menschlicher Hefeteig und brauche im Gegensatz zum Teig noch nicht mal eine besondere Temperatur, um zuzulegen. »Ganz normal«, sagen die Mehrfachmütter, »der Bauch hat beim zweiten Mal eine wesentlich größere Bereitschaft, sich auszudehnen.« Wie schön. Was einem der eigene Bauch für eine Freude machen kann. Und wieso müssen sich die restlichen Körperteile
eigentlich direkt anschließen? Sich mit dem Bauch solidarisieren? Warum kann ich nicht so eine apart putzige, possierliche Kugel vor mir herschieben? Ich sehe auch von hinten schwanger aus, denn selbst mein Po wächst aus Solidarität.
Bin ich bald die einzige Schwangere, die überhaupt noch schwanger aussieht? Ein so genanntes Auslaufmodell. Man wird mich später in Biologiebüchern abbilden, als Beispiel, wie Schwangere früher mal so aussahen. Schöne Perspektive.
Zu spät zum Jammern. Jetzt gilt es, besonderes Geschick zu beweisen. Es muss doch ein Kleid oder irgendwas an Klamotte geben, das selbst meine Formen noch ansprechend aussehen lässt. Verhängen oder betonen ist hier die Frage Nummer eins. Die moderne Schwangere trägt ja gerne enge Stretchfummel oder auch Zwerg-T-Shirts, die ein wenig Bauch rausblitzen lassen. Das kann niedlich aussehen. Je nach Gewichtsklasse allerdings auch recht peinlich. Und bauchfrei bei der eigenen Hochzeit – also ich weiß nicht. Wenn man einen Fußballer heiratet, mag das gehen, oder auch bei Ralf Schumacher – ansonsten ist es doch irgendwie unpassend. In meinem tiefsten Herzen bin ich – und das gestehe ich mir auch selbst sehr ungern ein – doch eher eine Spießerin. Muss ja keiner, außer mir, wissen.
Ich renne ganz Frankfurt ab. Dass ich dadurch nicht mindestens zwei klitzekleine Kilos gelassen habe, ist erstaunlich. Könnte aber an der Bratwurst liegen, die ich mir zwischendrin gegönnt habe. Also nicht nur mir, sondern vor allem dem Baby.
Mir schwebt ein Kleid vor, nicht zu kurz, in der Mitte mit Platz – wer weiß, wie ich in wenigen Wochen aussehe –,
hell, aber nicht weiß, keinesfalls gelb (steht mir nicht – steht eigentlich niemandem. In Gelb sehe ich aus, als wäre mir sehr, sehr übel) und wenn möglich très chic. Ich wage mich selbst in Läden, die ich früher nie betreten hätte. Wohl wissend, dass hier selbst ein T-Shirt eine halbe Monatsmiete kostet, obwohl es etwa die Größe eines Waschlappens hat. Aber – bei der eigenen Hochzeit darf man nicht knickrig sein. Wer am Hochzeitsfummel spart, wird das bitter bereuen. Spätestens dann, wenn man Jahrzehnte später im Altersheim wehmütig die Alben durchblättert und dann jedes Mal denkt, »hätte ich mir doch nur ein wirklich tolles Kleid geleistet.« So soll es bei mir nicht enden. Man muss sich den kommenden Heimaufenthalt nicht noch trostloser machen.
Meine Mutter sieht meine Notlage absolut pragmatisch. »Du hast doch einen schönen dunkelblauen Hosenanzug. Den guten. Der ist klassisch. Zieh den an. Dunkel streckt und steht dir. Zur Not
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