Familienpackung
›Nein‹. Außerdem – was für eine Demütigung für den anderen. Ich stelle mir solche Momente immer umgekehrt vor. Wie wäre das für mich? Das Standesamt rappelvoll, alle aufgerüscht und in Feierlaune und der Bräutigam macht die Biege. Welche Schmach. Man steht da, das Blumengebinde in der Hand, und alles schaut betreten auf den Boden und überlegt sich schon währenddessen, wem man diese Neuigkeit schnell mal per SMS mitteilen könnte. Dazu meine Mutter, die garantiert sagen würde: »Was hast du getan, dass er jetzt wegrennt?« So als wäre eigentlich ich daran schuld. Nein, vielen Dank. Das sollte und kann man sich wirklich sehr gut vorher überlegen.
Eines ist für mich klar: Zu einer dollen Hochzeit gehört auf jeden Fall eine aufregende Hochzeitsnacht.
In meiner Hochzeitsnacht soll es so richtig krachen. Ich meine, schließlich hat man ja, rein romantisch betrachtet, nur eine Hochzeitsnacht im Leben. Auch wenn ich nicht so sehr zur Romantik neige, finde ich, wenigstens vor der Hochzeit sollte man von nur einer einzigen Hochzeitsnacht im Leben ausgehen. Zu frühe Desillusionierung bringt einen, bei dem Thema jedenfalls, nicht weiter. Gesunde Skepsis – ja, keine Frage, aber man muss ja nicht komplett abgeklärt sein. Deshalb haben wir auch keinen Ehevertrag gemacht. Ehrlich gesagt, vielleicht nicht nur deswegen, denn
Reichtümer hat sowieso keiner von uns. Hätte ich Schlösser und Ferienhäuser in aller Herren Länder, Mallorca, Côte d’Azur und Monte Carlo, sähe das Ganze eventuell anders aus. Aber wo nichts ist, kann man ja auch kaum streiten. Das mag naiv sein, ist aber dafür herrlich unkompliziert. Und da Christoph sowieso mehr verdient als ich, kann für mich eigentlich nichts schief laufen. Ist das berechnend? Und wenn schon. So ganz ohne jegliches Kalkül sollte man sich in kein Abenteuer stürzen. Und dass die Ehe eins ist, da sind sich wohl alle drüber einig. Immerhin geht jede zweite Ehe in Deutschland schief. Welches Unternehmen würde man schon mit solch einer Prognose beginnen? Andererseits bedeutet das ja umgekehrt auch, dass jede zweite Ehe funktioniert oder wenigstens hält. Dass sich Menschen nicht scheiden lassen, hat ja nicht unbedingt was mit dem Funktionieren ihrer Ehe zu tun. Aber es hat ja auch was Beruhigendes, dass man, im Fall der Fälle, sich wieder scheiden lassen kann. Ein Notausgang ist immer eine gute Sache.
Der Entschluss zu heiraten, ist das eine – wie, das andere. Ich bin definitiv nicht der Kutschentyp. Christoph mag noch nicht mal Pferde. Ich glaube, er hat sogar ein wenig Schiss vor ihnen. »Quatsch, Angst habe ich nicht, aber Pferde sind große Tiere und nicht besonders helle«, behauptet er, als ich ihn mal frage, ob er sich vor Fury und Co. fürchtet. Also sind wir uns in der Kutschenfrage schnell einig. Dieses Geld können wir uns schon mal sparen. Ich bewege mich auch im Alltag äußerst selten per Kutsche. Ich habe es gerne ein wenig flotter. Auch eine ländliche Trachtenhochzeit steht so gar nicht zur Debatte. Hessische Tracht ist, unter
uns gesagt, auch relativ hässlich und trägt sehr auf. Wenn man eh schon schwanger ist, braucht man das so gar nicht. Außerdem will ich kein Büfett mit aahler Worscht und Sauerkraut. Christoph ist für die Sparvariante. Eine kleine Feier nach dem Standesamt würde ihm reichen. »Wir trinken einen Prosecco unten vor dem Standesamt und dann gehen wir schön mit der Familie essen«, ist sein Vorschlag. Wie profan. Prosecco trinken, nicht mal Schampus. Außerdem – wir gehen bestimmt zweimal im Monat bei oder mit unseren Eltern essen, was ist denn da das Besondere?
»Wir heiraten«, sage ich ihm und schaue streng. »Ich weiß«, sagt er, »ich habe dich gefragt, falls du dich noch erinnerst«, antwortet er etwas spitz. So als wäre sein hingehudelter Antrag auf jeden Fall eine großartige bleibende Erinnerung. Nach dem Antrag habe ich zumindest eine aufregende Feier verdient. »Wenn schon, denn schon«, stelle ich also Bedingungen. »Ich will eine große Feier, ich will Reden, Wahnsinns-Essen, ich will ein tolles Kleid, Schampus bis zum Abwinken und zur Krönung eine denkwürdige Nacht«, umreiße ich schon mal den groben Rahmen. In Christophs Augen blitzt Angst auf. Angst vor der akuten Verarmung. Er fasst sich instinktiv an die Hosentaschen. Dahin, wo er normalerweise sein Portemonnaie steckt. »Und, Andrea, wer soll all das bezahlen?«, fragt er mich. »Du«, sage ich und lache. »Oder wir, denn was
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