Familienpackung
Frau. Diese Antwort denke ich mir und sage was in Richtung: »Na ja, so ähnlich wird er aussehen, nur dicker.« Die kleine, moppelige Schneiderin – wahrscheinlich hat sie ihren Beruf aus privater Notlage heraus gewählt – lächelt wie eine Märchenfee. »Herzchen, das kriegen wir hin«, sagt sie und nimmt erst mal gründlich Maß. Wenn diese Frau jetzt und hier aus einem Kürbis eine Kutsche zaubern würde, ich wäre kein Stück überrascht. Dieser Optimismus gepaart mit einer liebenswürdigen Souveränität – eine traumhafte Kombi. Sie wühlt in riesigen Stoffballen und zeigt mir etwas wunderbar Edles und Zartes. Eine asiatische Seide, ganz was Besonderes. In einem zarten Elfenbeinton. »Sie werden aussehen wie eine Göttin«, verspricht sie mir und ich bin mehr als gewillt, ihr zu glauben. Mit den Worten »Lass mich mal was zaubern, mein Mädchen« entlässt sie mich. Diese Frau müsste es auf Rezept geben. Gegen die ist Valium ja ein Placebo.
Die kleinste Hürde ist die Zusammenstellung des Geschenketischs. Mittlerweile bieten nicht nur Porzellanläden, sondern eigentlich alle großen Kaufhausketten diesen Service an. Ich könnte Tage mit der Auswahl verbringen. Das ist meine absolute Lieblingsplanungsetappe, obwohl ich kurz überlege, eine großmütige Person zu sein und die Gäste aufzurufen, anstelle von Geschenken lieber für eine gute Sache zu spenden. Leider, ich muss es gestehen, langt mein Großmut nicht aus. Die Verlockungen sind einfach immens. Klar, auch die Vorstellung, wie ergriffen alle von mir und
meiner Selbstlosigkeit sein würden, ist schön, aber doch nicht ganz so schön wie die Aussicht auf diese gigantischen Präsente. Vom Plasmafernseher über die teuerste Gesichtscreme weltweit bis hin zu Perlmutteierlöffeln – ich kann mich kaum bremsen. Es ist wie in den wildesten Kindheitsträumen. Du bist allein im Kaufhaus und alles ist zu haben. Und es kostet nichts. Sehr pragmatische Menschen können über solche Rechenspiele natürlich nur milde lächeln. Mit dem, was eine ordentliche Feier mit allem drum und dran kostet, sind die paar Geschenke locker zu bezahlen – aber seit wann habe ich es mit gehobener Mathematik?
Die Hochzeitsmaschinerie ist angeworfen und alles läuft. Das Kleid wird wirklich ein Traum … Bisher nur zwei Absagen. Meine Neurodermitis-Kusine aus Aschaffenburg mit ihrem Mann Fred – Schwitzehändchen-Fred, der eine fatale Ähnlichkeit mit Fred Feuerstein hat – können leider nicht. Zu schade. Sie haben Endausscheidung im Standardtanz und dafür trainieren die beiden schon die gesamte Saison über. Ob ich Verständnis habe? Der Titel sei zum Greifen nah. Natürlich habe ich Verständnis. Eine Oberbayernmeisterschaft im Standard, wer will da schon fehlen? Und wo wir schon beim Thema sind, fragt sie mich am Telefon: »Könnt ihr euren Hochzeitswalzer? Habt ihr schon fleißig geübt?« Yak. Ein neuer Punkt auf der To-do-Liste. Wir haben weder geübt noch je zusammen getanzt. Jedenfalls keinen Walzer. Christoph ist eh nicht das, was man den geborenen Tänzer nennt. Ob ich den überhaupt dazu kriege? Wenn nicht, dann eben nicht.
Die zweite Absage kommt auch aus der Verwandtschaft. Die Großtante und der dazugehörige Onkel aus dem hohen
Norden. Sie machen just in dieser Zeit eine Kreuzfahrt. Haben für diese Reise lange gespart. Und sich so dermaßen darauf gefreut. Wer bin ich, dass ich alten Menschen einen Lebenstraum zerstöre? Ich wünsche den beiden viel Spaß und sie mir eine herrliche Hochzeit. »Geschenk schicken wir«, sagt die Tante und meine kleine Habgierseele ist zufrieden.
Die Krönung der Planung ist meine Hochzeitsüberraschung. Wir feiern zwar in der Nachbarschaft, das Restaurant ist, wie man so schön sagt, fußläufig, aber nach der Hochzeit will ich nun wahrlich nicht daheim übernachten. An einem solchen Tag darf es ruhig ein bisschen mehr sein. Vor allem, weil erst mal keine Hochzeitsreise geplant ist. Wegen der Umstände. Also meiner. Wir wollen fahren, wenn das neue Baby da ist. In aller Ruhe. Nur wir zwei. Die Kinder kommen zu den Schwiegereltern. Und wir – das junge Glück – fliegen irgendwohin, wo es heiß ist. Wenn schon keine Hochzeitsreise, dann zumindest ein kleiner nächtlicher Ausflug. Ich buche eine Suite. Heimlich. Ohne irgendjemand Bescheid zu geben. Nicht irgendeine, sondern die Suite im Frankfurter Hof. Dem renommiertesten Hotel am Platze. Mit kompletter Hochzeitsdeko. Eine Spezialität des Hauses. Rosenblätter
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