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Familienpackung

Familienpackung

Titel: Familienpackung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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genickt und nachher heimlich, beim Abräumen in der Küche, die Quichereste vertilgt.
    Ich trinke einen Kaffee mit Tamara. Und sie hat Neues von ihrem Emil zu erzählen. Dem hoch begabten Emil. Emil ist in der zweiten Klasse, lernt nebenher Französisch und kickt in der Hessenauswahl. Emil ist ein Kind, das einem Angst machen kann. Weil er so dermaßen schlau ist. »Hör mal«, sagt Tamara, »weißt du, was der Emil gestern in der Schule zu seiner Lehrerin gesagt hat, dieser dürren Zippe, der Frau Plotz?« Natürlich weiß ich es nicht. »Keine Ahnung, Tamara«, antworte ich erwartungsgemäß. »Also, er hat diese dünne Person gefragt, ob sie eigentlich auch Brüste hat.« »Und was hat sie geantwortet?«, frage ich. »›Klar, natürlich habe ich Brüste‹, hat sie gesagt und darauf hat Emil, ziemlich gewitzt, wie ich finde, wohl gefragt, ›Wann bringst du die denn mal mit?‹«
    Nicht schlecht, der kleine Emil. Und mit einer Mutter, die so bestückt ist wie Tamara, eine durchaus verständliche Frage. Wir schwätzen noch eine Runde und dann muss Tamara kochen. Für ihren hoch Begabten. »Bis morgen, zur Party«, verabschiede ich mich, »und lass die Mousse in Ruhe.« Sie lacht und wir gehen heim.
     
    Alles ist entspannt, bis meine Schwester anruft. Birgit, die sich aber, weil’s angeblich schöner klingt, immer Brigitta nennt. Zwischen uns provoziert ihre Namenseitelkeit ein immerwährendes Spiel. Sie sagt »Hallo, hier ist Brigitta«, und ich sage »Hallo, Birgit«. Die Rache der kleinen Schwester. Natürlich etwas kleinlich, aber jahrelange Demütigung
fordert ihren Tribut. Birgit hat mich als Kind schön getriezt. Ständig rumkommandiert und erpresst. Und ich war ihr auf eine gewisse Art hörig. Schon, weil Birgits Klassenkameraden für mich natürlich sehr attraktiv waren. Mittlerweile verstehen wir beide uns gut. Solange Birgits Mann Kurt, Mister Besserwisser vom Dienst, nicht dabei ist.
    Als ich schwanger war, hat sie sich einen Hund angeschafft. Sie ist mir gerne einen Schritt voraus. Will immer einen Tick mehr. Ein Gleichstand – beide Schwestern mit je zwei Kindern – für Birgit unvorstellbar. Typisch große Schwester eben. Die haben oft so was Ehrgeiziges. Als ich meine Schwangerschaft verkündet habe, hat sie mit der Nachricht aufgetrumpft, »Und wir kaufen einen Hund. Einen ›Golden Retriever‹.« Für Birgit ist ein Tierheimhund nichts. Kam erst gar nicht infrage. Sie hat einen ganz kleinen Dünkel, was Herkunftsfragen angeht. Selbst bei Hunden. »Wer Kinder hat, kann doch nicht irgendeinen Köter ins Haus holen. Wer weiß, was der für Traumata hat. Am Ende verbeißt er sich in die Kinder und dann hat man den Salat.«
    Ich habe bis zu den detaillierten Schilderungen meiner Schwester geglaubt, Hundekauf sei ähnlich wie Schuhkauf. Man schaut, welcher passt, sucht aus, nimmt den, der einem am besten gefällt, und bezahlt. Weit gefehlt. Wer denkt, es sei leicht, einen Hund vom Züchter zu bekommen, täuscht sich. Birgit war zu der Zeit ein Nervenbündel. Erst die Suche im Internet. Welcher Züchter erwartet wann welchen Wurf? Dann, Monate bevor der Hund überhaupt geboren wird, das erste Kennenlernen. Eine Art Vorsprechen beim Züchter. Birgits Züchter war aus dem Saarland. Drei Stunden Fahrt, nur um »Guten Tag« zu sagen. Wer,
wie meine Schwester, einen der absoluten Modehunde, den Familienklassiker ›Golden Retriever‹ will, muss ähnliche Prozeduren über sich ergehen lassen wie bei der Adoption eines indischen Waisenkindes. Können sie dem Hund ein ordentliches Zuhause bieten? Wie stellen sie sich die Erziehung vor? Wer wird sich um den Hund kümmern? Wie viel Bezugspersonen gibt es? Sind ihre Kinder hundetauglich? Hatten sie je Haustiere? Birgit war nach der ersten Befragung ein Wackelkandidat. Wartelistentauglich. Mehr allerdings nicht. »Ich kann Ihnen nichts versprechen«, hat der Züchter nur gesagt. »Es gibt noch sehr viele andere Bewerber.« Birgit war verunsichert. Sie ist keine Frau, die gerne wartet. »Wo ist bitte das Problem?«, hat sie, so freundlich wie eben möglich, den Züchter gefragt. »Ich bin mir nicht sicher, ob Sie Ihr Leben wirklich voll und ganz dem Hund widmen wollen«, hat der dann allen Ernstes gesagt. Auch Birgit war das doch eine Spur zu viel.
    Am nächsten Wochenende ist sie ins Tierheim. Hat sich 37 Hunde angeschaut. 85 Prozent davon waren Kampfhunde. »Das sagt man nicht, da tut man den Tierchen Unrecht«, hat die Tierheimleiterin sie zurechtgewiesen.

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