Familienpackung
alles wissen.« Während wir gemeinsam Sektgläser in der Küche bereitstellen, erstattet Heike Bericht. »Ich kenne sie erst seit zwei Wochen. Lea heißt sie. Und sie ist, ich meine, was soll ich sagen, Andrea, ein Knaller, aber du wirst sie ja gleich selbst sehen. Sie sieht umwerfend aus. Und sie ist so tüchtig. Und schlau. Und sie küsst klasse.« Meine Güte, Heike ist ja völlig von Sinnen. Richtiggehend berauscht. Und das will bei der großen Skeptikerin
wirklich was heißen. »Wo hast du sie kennen gelernt? Ich will Details, egal wie schmutzig«, fordere ich mehr. »Beim Einkaufen«, sagt Heike nur, »sie hat einen Laden und hat mich beraten.« Heike und eine Boutiquebesitzerin. Erstaunlich, vor allem weil Heike mit Mode nicht sehr viel am Hut hat. Heike ist eher sportlich schick. Jeans, nettes Oberteil und Turnschuhe. »Du und eine Boutiquetante?«, frage ich erstaunt. »Wer hat denn hier Boutique gesagt?«, kontert Heike. »Sie hat den Frauensexshop, in dem ich deinen rosa Garagen-Rammler gekauft habe. Und sie hat mich supernett beraten. Total süß, obwohl sie erst gedacht hat, der Rammler wäre für mich. Also, sie hat gemeint, ich wäre hetero. Dabei habe ich gleich gesagt, dass ich den Vibrator verschenken will. Aber Lea hat mir später gesagt, dass alle, die einen Vibrator kaufen, sagen, er wäre zum Verschenken. Nie würde eine Frau sagen, ›also der ist für mich.‹ Und deswegen war für sie klar, dass ich hetero bin.« Uih, wie kompliziert. »Und wie hat sich das dann aufgeklärt?«, verlange ich nach weiteren Details. »Ich hab’s einfach gesagt«, grinst Heike. »Hab gesagt, also, dass ich mir nichts aus Rammlern mache. Weder aus Plastik noch aus Fleisch und Blut. Phallisches ist nicht meine Abteilung. Und da habe ich so was in ihrem Gesicht gesehen. So eine Art Strahlen. Und sie hat mich gefragt, ob ich einen Kaffee will. Und als wir den getrunken haben, hat sie mir gestanden, dass sie auch auf Frauen steht.« »Weiter«, sage ich nur, »wir haben nicht ewig Zeit, erzähl endlich, komm zum Punkt. In spätestens einer knappen Stunde sind die Gäste da.« »Ist ja gut«, besänftigt mich Heike, »ich habe dann gefragt, ob sie mit mir essen geht. Ist sie. Und nicht nur essen. Seitdem sind wir zusammen. Lea ist großartig. Und so gebildet.« Bevor sie
sich erneut in Lobhudeleien verliert, bremse ich sie, weil das Telefon klingelt.
Es ist Christoph. »Andrea, es reicht. Ich glaube, der Langner ist durchgedreht. Der hat mir hier meine längst fertige Akte hingelegt, bei der er noch gestern die Brillanz gelobt hat, und ich soll eben mal eine völlig neue Argumentationslinie ausarbeiten. Mit Grundsatzurteilen. Das kann Stunden dauern. Und der blöde Sack ist ins Wochenende. Ich denke, ich werde den Scheiß auch liegen lassen und mich morgen noch mal dranmachen. Weiß der doch nicht, wann ich das ausarbeite. Also ich bin in zwanzig Minuten da.« Du großer Gott. Das geht ja gar nicht. Dann ist Christoph ja vor den Gästen hier. Schnell, Schnidt, denk nach! »Schatz, mach’s doch lieber jetzt fertig, die Kinder sind bei deinen Eltern und bei Giovanni spielt es keine Rolle, wann wir kommen. Ich habe extra angerufen. Es ist kein Problem, wenn du noch ein, zwei Stunden brauchst. Echt. Und du willst doch auch nicht, dass der Langner sich aufregt.« Hoffentlich schluckt er das und hört einmal im Leben auf mich. »Hast du Kreide gefressen oder was ist mit dir los?«, riecht Christoph Lunte, »ich meine, zahlt dir der Langner was für deine Solidarität, auf welcher Seite stehst du eigentlich? Sonst sagst du doch immer, ich soll mir nicht alles bieten lassen«, wird mein Gatte nun doch etwas säuerlich. Ich rede mich raus: »Ne, Quatsch, natürlich ist der Langner ein Arsch, ein kompletter Ausbeuter-Idiot, aber es bringt doch nichts, morgen nochmal hinzufahren. Was du heute kannst besorgen und so weiter – du weißt schon.« »Na ja«, nörgelt Christoph, »wenn du meinst. Eine Stunde mache ich noch, aber dann komme ich heim. Irgendwo ist auch mal Schluss. Ich bin doch nicht der Depp vom Dienst,
den man jederzeit und immerzu an die Akten beordern kann. Ich habe Geburtstag, Andrea.« »Weiß ich doch alles, mein Schatz«, antworte ich in einem Ton, in dem man sonst mit Vierjährigen spricht, die hingefallen sind, »es geht doch nur um die Effizienz, die Sache an sich ist natürlich gemein. Aber ich will nicht auch noch morgen auf dich verzichten. Lieber jetzt noch ein Stündchen und dann haben wir heute
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