Familienpackung
Oberchef, ruft an, um mir zu gratulieren. Pustekuchen. Kein Glückwunsch und nichts. Aber das weiß der alte Muffel wahrscheinlich gar nicht, dass auch die Arbeitsbienen so was wie Geburtstag haben. Der hat angerufen, um mich ins Büro zu beordern. Wegen einem eigentlich völlig nichtigen Prozess am Montag. Der spinnt doch total.« Er macht eine Atempause. »Und konntest du nicht nein sagen?«, frage ich ganz abgebrüht nochmal nach. »Habe ich doch versucht, Andrea, aber der Alte hat dicht gemacht. Selbst, als ich gesagt habe, dass ich heute keine Möglichkeit sehe. Weißt du, was der da geantwortet hat? ›Dann sehe ich auch einige Möglichkeiten nicht, über die wir gesprochen haben – neulich mittags.‹ Das ist doch Erpressung.« Rudi und Inge sind sofort auf der Seite ihres Sohnes. »Das is net scheen von dem Mann, abä manchma muss mer in de saure Appel beiße, gell Christoph.« Ich bejammere ihn ausgiebig, lobe seinen Widerspruchsgeist und sage: »Was soll’s, wir lassen uns von dem doch nicht den Abend verderben. Fahr ruhig, ich rufe Giovanni an und sage, dass wir erst gegen acht Uhr kommen. Dann sind wir auf der sicheren Seite.« Christoph nickt, offensichtlich sehr froh über mein Verständnis. »Es tut mir echt Leid, Andrea, ich habe null Lust, aber ich hatte keine Chance. Der Alte kann dermaßen hartnäckig sein.« Ich wusste, der Langner schafft es, Christoph aus dem Haus zu bekommen. Als ich ihn gefragt habe, hat er auch gleich
zugesagt. »Kein Problem, Frau Schnidt, der wird schon in die Kanzlei fahren. Verlassen sie sich drauf. Den beschäftige ich hier schön für zwei, drei Stunden.« Und dann hat er dröhnend gelacht. Ein Mann, ein Wort. Christoph packt sein Aktentäschchen. Vor sich hin murrend: »Erst kein Streuselkuchen und jetzt auch das noch. Schöner Geburtstag, wirklich toll«, verabschiedet er sich von den Kindern und seinen Eltern. Ich bekomme einen dicken Kuss und das Versprechen, dass es unter keinen Umständen später als sieben wird. »Ich bin doch kein Leibeigener«, grummelt er noch und dann ist er weg. »Du bist ja en abgekochtes Ludä«, lobt mich mein Schwiegervater, »supä eingefädelt, Andrea. Der hat gar nix gemerkt. Abä gar nix.« Jetzt gilt es. Noch neunzig Minuten, bis die Gäste auf der Matte stehen. Wie der Langner das machen will, dass er vor Christoph hier ist – ich bin gespannt.
Rudi und Inge schnappen sich die Kinder mit den Worten »Holt se euch ab, wenn ihr sie wiedä habe wollt« und wünschen mir ein schönes Fest. Bis Giovanni in einer halben Stunde mit dem Essen kommt, habe ich Zeit, mich partytauglich aufzustylen.
Ich drehe mir meine Spaghetti-Haare mit dem Lockenstab in Form, gebe ausreichend Haarspray für ein eigenes Ozonloch drüber und hoffe, dass die Pracht hält, bis die Besucher kommen. Zur Feier des Tages male ich mir sogar einen Lidstrich und bin mit dem Gesamtergebnis zufrieden. In meinem neuen türkisfarbenen Sommerkleid mit dem kleinen schwarzen Strickjäckchen drüber und den hochhackigen Sandalen kann ich mich sehen lassen. Ich arbeite mich nicht mehr an unerreichbaren Superfrauen ab. Mein
Maßstab bin ich selbst. Natürlich könnte ich untenrum etwas weniger wiegen, aber im Ganzen würde ich mir eine Zwei minus geben. Was zeigt, dass ich nicht zur Selbstherrlichkeit neige, mich andererseits aber auch nicht kritischer sehe als nötig. Ich habe zwei Kinder und bin nicht mehr die Jüngste. All das fließt in die Benotung natürlich mit ein.
Noch vor Giovanni kommt Heike aus München. Meine Heike, die es aus beruflichen Gründen in den Freistaat verschlagen hat. Hat Heike nicht gesagt, dass sie jemanden mitbringt? Heike, die anspruchsvollste Lesbe zwischen hier und Feuerland. »Wo ist denn dein Mitbringsel?«, frage ich also gleich zur Begrüßung. Sie drückt mir ein Päckchen in die Hand. »Der Rammler ist aus dem Sortiment genommen, ich habe dir den Delphin besorgt«, sagt sie und überreicht mir ein dezent verpacktes Etwas. »Deinen Rammler nehme ich dann wieder mit, den kann ich zurückbringen, hat mir die Ladenbesitzerin gesagt.« »Ich meine doch dein persönliches Mitbringsel, du wolltest ja in Begleitung kommen«, bin ich nun etwas enttäuscht. Nicht, dass ich mich über den Batterieflipper nicht freuen würde, keine Frage, aber eine neue Liebe an Heikes Seite hätte mich noch mehr gefreut. »Die kommt später, um sieben, ich wollte noch ein wenig Zeit mit dir allein haben«, lacht Heike und ich sage nur: »Erzähl, ich will
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