Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)
auch Gefahr, vermöbelt zu werden.
Verdrossen ließ ich mich gegen die Wand fallen. Da war ich nun, keine Kohle, kein Auftrag, kein richtiger Job. Schönes Detektivleben!
Ich klingelte Sturm und ohne abzuwarten, dass der Öffner betätigt wurde, drückte ich die schlecht schließende Tür auf und rannte die Treppe hoch.
»Mann, echt, ich hab grad so was von keinen Bock mehr auf meinen Job!«, polterte ich, kaum hatte ich die Wohnung betreten, und stapfte direkt in die Küche. Sie war leer.
»Wo steckst du denn?« Ich lief durch den schmalen Gang zurück, doch auch im Wohnzimmer war niemand. Erst als ich die angelehnte Schlafzimmertür aufstieß, entdeckte ich sie. Betroffen blieb ich auf der Schwelle stehen.
»Ich muss mich beruhigen«, erklärte Miranda verzagt, während sie einen Joint rollte, der größenmäßig jedes Alphorn in den Schatten gestellt hätte. »Ich steh jetzt schon komplett neben mir.«
Sie saß in einem perlmuttfarben schimmernden Negligé am Kopfende ihres Bettes und lehnte sich gegen die Wand, die langen Beine über Kreuz. Ihre lockigen Haare waren zerzaust, sie war ungeschminkt und sah ungewohnt blass aus. Am Kinn und über der Oberlippe waren deutlich dunkle Bartstoppeln auszumachen. Als sie den Joint zuklebte, zitterten ihre Finger. Noch nie hatte ich meine beste Freundin, die in einer anderen Zeitrechnung einmal Gustavo geheißen hatte, so nervös gesehen, nicht einmal vor dem Einsetzen ihrer ersten Brustimplantate.
»Am Sonntag ist es so weit«, bemerkte ich, weil ich nicht wusste, was ich sonst hätte sagen sollen, und setzte mich auf den Bettrand. Ich hatte den Termin keineswegs vergessen, ich war nur gerade ziemlich mit mir selbst beschäftigt gewesen. Dabei konnte Miranda etwas moralische Unterstützung gut gebrauchen.
»Ja, am Sonntag ist es so weit.«
»Alles geritzt?«
»Es gab ja nicht so viel zu organisieren. Die Couch lässt sich mit wenigen Handgriffen zu einem Bett umwandeln und Duschtücher sind eh genügend da …« Ich sah Panik in ihrem Blick aufflackern.
»Das wird schon.«
»Ich weiß nicht, Vijay …«
»Doch, doch. Wir sind ja auch da und unterstützen dich, so gut es geht.«
»Ich habe mich so lange nach diesem Tag gesehnt – und jetzt, wo er da ist, fürchte ich mich davor.«
»Du schaffst das.«
»Es gibt keine Fluchtmöglichkeit mehr.«
»Was ist jetzt mit diesem Lokal? Hast du schon was vom Besitzer gehört?«
Stirnrunzelnd begutachtete Miranda den fertig fabrizierten Joint, während ihr deutlich anzusehen war, wie viel Anstrengung sie das Umschwenken auf ein neues Thema kostete. Aber es brachte meiner Meinung nach nichts, weiterhin über einen Sachverhalt zu diskutieren, der ohnehin nicht mehr zu ändern war. Schließlich hatte Miranda es so gewollt und am Sonntag würde man weitersehen. Sie würde es überstehen, sie war ein großes Mädchen.
»Das Restaurant wäre perfekt«, beantwortete sie meine Nachfrage und ihre Augen bekamen etwas Glanz zurück. »Klein und übersichtlich, zentral an der Bäckerstrasse gelegen. Ideal, um japanische Nudelsuppen anzubieten. Nur gibt es leider noch andere Interessenten, wie du dir denken kannst. Und der Preis ist auch nicht ganz ohne.«
»Aber finanzierbar?«
Eine durchaus berechtigte Frage, denn noch immer stiegen die Mietpreise in der Stadt in teilweise astronomische Höhen.
»Wenn der Laden läuft, dann knapp. Andernfalls muss ich die Suppe selber auslöffeln, im wahrsten Sinn des Wortes.«
»Im Notfall könntest du ja immer noch …«
»Nein! Dahin will ich unter keinen Umständen zurück.«
Miranda hatte nach langen Jahren des Haderns endlich ihren Job als Prostituierte aufgegeben, ein Befreiungsschlag für sie, war sie doch in diesem Metier schon länger unglücklich gewesen. Allerdings fehlte ihr nun das regelmäßige und nicht zu knappe Einkommen. Momentan hielt sie sich mit Erspartem über Wasser, während sie auf der Suche nach einem geeigneten Lokal war. Doch ich wusste, dass sich ihre Ressourcen dem Ende zuneigten, während sich das Finden einer passenden Lokalität für ihr geplantes Restaurant als ausgesprochen umständlich und kostspielig gestaltete.
Gern hätte ich ihr mit meinen Verbindungen geholfen, doch ein Job im Laden meiner Mutter stand nicht mehr zur Diskussion. Miranda hatte sich dort im vergangenen Jahr als Servicefachkraft prächtig gemacht, und nach der Rückkehr meiner Mutter aus Indien hatte sich herausgestellt, dass indische Moralvorstellungen und brasilianische
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