Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)
Tagen zu melden. Wer – außer vielleicht Paris Hilton, als sie noch etwas hergab – wurde schon fürstlich dafür entlohnt, in Klubs rumzuhängen und Drinks in sich hineinzukippen?
Als hätte sie meine Gedanken gelesen, fragte mich in diesem Moment die Bedienung, ob ich noch ein Schlückchen vertrüge. Reflexartig antwortete ich mit einem Nicken. Während sich die Bardame, die aussah wie eine aus Heidi Klums Modelshow ausgeschiedene Kandidatin, um den G & T kümmerte, schoss ich mit einer handlichen Digitalkamera weitere Fotos von meiner Zielperson. Die Damen blickten teilnahmslos auf die Straße hinaus, während der junge Mann hektisch auf seinem Blackberry herumtippte. So sah es also aus, wenn Zürichs feine Gesellschaft Spaß hatte.
Da widmete ich mich lieber dem brandneuen Drink und grübelte dabei über meine finanzielle Situation nach. Trotz der zusätzlichen Einnahmen durch die leicht ausgedehnte Überwachung von Fontana blieb diese prekär.
Nicht, dass ich mir viel aus Geld machte. Schließlich war ich jahrelang mit wenig Zaster zurechtgekommen und wäre ich allein gewesen, hätte mich mein knappes Einkommen auch weiterhin kaum gestört. Der Haken war nur: Ich war nicht mehr allein.
»Hai rabba!« , hatte meine Mutter freudig ausgerufen, als Manju und ich endlich offiziell ein Paar geworden waren, und sich überschwänglich beim hinduistischen Liebesgott Kama bedankt, dem sie über Jahre hinweg unzählige Opfer erbracht hatte, ›damit er mit seinen fünf Blütenpfeilen endlich, endlich das bebende Liebesverlangen in unsere Herzen sende‹. Unzweifelhaft hatte der Zauber gewirkt, doch waren damit die Wünsche meiner Mutter natürlich noch längst nicht alle erfüllt. So war das mit indischen Müttern: Reichte man ihnen einen Finger, versuchten sie ihm sofort einen Ehering überzustreifen. Seither schwebte ihr Hochzeitswunsch wie ein Damoklesschwert über meinem Kopf.
Andererseits sorgte meine Freundin selbst dafür, dass mich der Gedanke an eine dauerhafte und steuertechnisch geregelte Verbindung immer weniger schreckte. Was nicht nur mit Manjus Liebreiz zu tun hatte und dem Wissen, dass von all den Frauen, mit denen ich zusammen gewesen war, sie die einzige war, mit der ich mir diesen Schritt vorstellen konnte, sondern mit einer von ihr gestellten Auflage. Eine für mich wenig befriedigende Angelegenheit, die ich erst unwillig und verständnislos zur Kenntnis genommen hatte, die mir aber je länger, je deutlicher die weitreichenden Vorteile einer Ehe vor Augen führte.
Eigentlich wollte ich Manju ja nur glücklich machen. Sie sollte alles haben, was sie sich wünschte, das hatte ich mir an jenem Abend geschworen, als sie mich zum ersten Mal geküsst hatte. Richtig geküsst, meine ich.
Erst danach hatte ich im Gespräch mit Freunden herausgefunden, was sich eine Frau alles zu wünschen imstande war. Auf jeden Fall war dazu ein gesichertes Einkommen unabdingbar.
Ich lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf Raphael Fontana und seine beiden Begleiterinnen, die sich soeben wie auf Kommando erhoben hatten und dem Ausgang zustrebten. Mit einem Zug leerte ich meinen Gin Tonic, legte den geschuldeten Betrag auf den Tresen und steckte die Quittung ein. Dann folgte ich dem Trio in sicherem Abstand hinaus auf die Badenerstrasse. Die drei schienen es ziemlich eilig zu haben, sie bogen in die Langstrasse ein und marschierten dann die trotz fortschreitender Aufwertung immer noch verruchteste Meile Zürichs entlang.
Mit eingezogenem Kopf passierte ich den indischen Lebensmittelladen meiner Mutter beim Helvetiaplatz und atmete erleichtert auf, als ich sie beim Abräumen der Tische im hinteren Teil des Lokals ausmachte. Manju beugte sich derweil über die Abwaschmaschine und stapelte Geschirr hinein. Der Mittagsservice war gerade vorbei. Gut, dass die beiden so beschäftigt waren, eine überschwängliche und zeitraubende Begrüßung mit hundertprozentig folgender Einladung zum Essen war das Letzte, was man als Detektiv bei einer laufenden Überwachung brauchen konnte.
Irritiert beobachtete ich, wie Raffis Begleiterinnen, ohne sich zu verabschieden, das Café Casablanca betraten, derweil dieser beschleunigte und am Coop vorbeihastete, um wenig später in einer Seitenstraße zu verschwinden. Sie mussten sich zuvor abgesprochen haben, jeder schien genau zu wissen, was er zu tun hatte. Das roch nach einem abgekarteten Spiel.
Ich hatte Raffi nur einen minimalen Vorsprung gelassen, doch als ich um die Ecke lugte, war er
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