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Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen

Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen

Titel: Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henriette Frädrich
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ließ meine Haare wachsen und lernte, diese selbst zu waschen, zu kämmen, zu föhnen und mir selbst Zöpfe zu machen. Nie wieder würde ich meine Mutter an meine Haare ran lassen.  Seitdem habe ich immer lange Haare. Und davon, eine Eisprinzessin zu werden, träume ich immer noch heimlich.

Wenn ich nach Hause kam, war die Tür von innen verriegelt
    Die Ausgesperrte
    Christiane, 36, Ärztin
     
    Ich war sieben Jahre alt, als meine Mutter ihren neuen Mann kennengelernt hatte. All die Jahre lebten wir zu zweit, mein Vater hat sich kurz nach meiner Geburt aus dem Staub gemacht. Der neue Mann war nett und lustig, ich mochte ihn sehr. Nach einer Weile fragte er uns, ob wir ihn heiraten wollen. Begeistert sagte meine Mutter ja, nicht ohne vorher mit mir darüber zu sprechen. Aber ich hatte nichts dagegen, ich hatte auch nichts dagegen, den neuen Mann als meinen neuen Vater zu akzeptieren. Es dauerte nicht lange, und ich sagte tatsächlich „Papa“ zu ihm. Es fühlte sich auch nicht komisch für mich an. Die Liebe meiner Mutter und meines neuen Vaters wurde durch die Geburt meines kleinen Bruders gekrönt. Mein Vater freute sich wahnsinnig, für ihn war es das erste eigene Kind. Und auch ich war glücklich, lag ich doch meiner Mama schon seit Jahren in den Ohren, dass ich ein Geschwisterchen haben will. 
    Es hätte alles perfekt sein können. Doch das war es leider nicht. Mein neuer Vater hatte einige Eigenarten an sich, die es schwer machten, mit ihm umzugehen. Er war ein liebevoller Mensch, witzig und charmant, klug und anpackend. Doch von einer Sekunde zur anderen konnte seine Laune umschlagen in das komplette Gegenteil. Dann wurde er plötzlich gemein, in sich gekehrt, rechthaberisch, alles um sich herum verachtend, regelrecht gesellschaftsunfähig. Man wusste nie, wann es soweit war. Und wenn es soweit war, wusste man nie, warum. Manchmal wirkte er wie ein Autist, der ausflippte, wenn etwas nicht so lief, wie er das vorgesehen hatte. Waren wir in der Öffentlichkeit mit ihm unterwegs, im Restaurant, im Urlaub, beim Einkaufen, ergaben sich durch sein unerklärliches Verhalten immer öfter unsägliche Szenen, die es schier unerträglich machten, längere Zeit mit ihm zu verbringen. Wie oft schämten wir uns für das, was er sagte oder dafür, wie er sich verhielt.
    Es wurde mit der Zeit immer schlimmer mit meinem Vater. Eine große Portion seines Grolls richtete sich gegen mich. Je älter ich wurde, desto mehr bekam ich seine Eigenarten zu spüren. Je mehr ich Teenager wurde, desto gemeiner wurde er zu mir. Dabei war ich ein mustergültiger Teenie, ich war gut in der Schule, half kräftig im Haushalt mit, passte auf meinen Bruder auf. Hätte ich nur noch Fünfen nach Hause gebracht, hätte er mich beim Rauchen und Saufen erwischt, wäre ich abgehauen, ich hätte das ja sogar verstanden, wenn er sauer auf mich war. Aber ich war so brav, dass es mir im Nachhinein schon fast selber peinlich ist, dass ich nicht aufmüpfiger gewesen bin.
    Mein Vater ließ keine Gelegenheit aus, mich zu schikanieren. Nun ist man ja als Teenie-Mädchen sowieso schon völlig überfordert mit sich selbst und der ganzen Welt, ist unsicher und fühlt sich per se immer hässlich und zu dick. Ich probierte natürlich viel rum, erstes Make-Up, Beine rasieren, Haare frisieren, Selbstbräuner. Doch wann immer ich mich in mein Zimmer zurück zog, platzte mein Vater rein und kommentierte das, was ich gerade tat, z.B. „Na, Beauty, willste ´n Modelwettbewerb gewinnen, oder was?!“. Das tat er so hämisch und so herablassend, dass ich mich immer elendig fühlte. Warum er das tat, weiß ich bis heute nicht. Vor allem was war denn dabei, wenn ein Teenager-Mädchen in seinem Zimmer vorm Spiegel rumturnte? Das führte dazu, dass ich immer total Schiss hatte, wenn ich in meinem Zimmer war, dass er den nächsten Moment hereinplatzen würde. Auch wenn ich mal Mittagsschlaf machen wollte, am Wochenende, polterte er herein und machte sich über mich lustig „Na, haste soviel gearbeitet oder was, dass du dich jetzt ausruhen musst, oder was?!“ gab er zynisch von sich, und knallte dir Tür wieder zu. Meine Mutter griff ab und an mal ein, sagte wütend zu ihm, er solle mich endlich in Ruhe lassen, aber es half nichts, er schikanierte mich immer wieder. Nur, wenn er nicht da war, fühlte ich mich erlöst und frei. War er auf Dienstreise, war ich happy. War er da, empfand ich es immer als Belastung.
    Was das alles sollte, frage ich mich bis heute. Alles was ich

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