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Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen

Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen

Titel: Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henriette Frädrich
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irgendwann nur noch drüber lachen. Ich lachte darüber, weil mein Vater so doof war. Ich war aber auch gleichzeitig enttäuscht, dass sich meine Mutter nicht endlich durchsetzen konnte. Sie drohte ihm immer wieder mit Scheidung, wenn er mich noch einmal schikanierte. Aber natürlich passierte nichts. Sie war viel zu bequem für so einen Stress und saß die Sache lieber aus. Denn irgendwann, nach dem Abi, zog ich aus. Und die Sache erledigte sich damit von selbst. Ich redete mehrere Jahre kein Wort mit meinem Vater. Heute haben wir uns wieder angenähert und wir kommen halbwegs gut miteinander aus. Darüber, dass er mir meine Teenager-Zeit zur Hölle gemacht hat und warum er das tat, haben wir aber nie geredet.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

Als ich vor Angst in den Papierkorb kackte
    Die Ängstliche
    Tanja, 27, Marketing-Fachangestellte
     
    Das Wort „Schisser“ kommt nicht von ungefähr. Das habe ich am eigenen Leib erfahren müssen.
    Ich war ungefähr fünf Jahre alt und musste, wie vermutliches jedes Kind, immer diesen ungeliebten Mittagsschlaf machen. Kinder hassen Mittagsschlaf. Was man da alles verpasst! Kostbare Spielzeit, die verloren geht! Heute würde ich sonstwas dafür tun, mich mittags zwei Stunden hinlegen und tief und fest von der Welt wegschlafen zu dürfen. Was nur noch ganz selten klappt. Aber als Kind gibt es eben Dinge, die man erst im Erwachsenenalter zu schätzen lernt: Gorgonzola, Rotwein, Kaffee und eben Mittagsschlaf.
    Wir hatten an dem Tag Besuch, und es ging sehr lustig bei uns zu Hause zu. Es gab ein leckeres Mittagessen, meine Mutter hatte anlässlich des Besuchs ordentlich aufgefahren, die Stimmung war ausgelassen. Kinder lieben es, wenn die Eltern Besuch bekommen, dann sind die nämlich viel lustiger als sonst, trinken Wein, lachen viel und erlauben plötzlich alles Mögliche, nur um ihre Ruhe zu haben. Man darf Unmengen Schokolade essen, Fernsehen gucken und bekommt vom Besuch meistens auch noch Geschenke.
    Ich hatte gehofft, ausnahmsweise heute keinen Mittagsschlaf machen zu müssen, ich wollte einfach nichts verpassen. Aber nichts da. Meine Mutter schickte mich ins Bett, gnadenlos, da half kein Betteln und Flehen und auch nicht die Versprechungen meinerseits, ganz lieb und leise zu sein. „Meine Süße, du musst jetzt schlafen. Ist doch toll, dass du dich jetzt hinlegen und ausruhen darfst!“ sagte meine Mutter, legte mich ins Bett, deckte mich zu und ging raus. Natürlich gab ich nicht so schnell auf. Ich hatte einen starken Willen, den haben meine Eltern und mein großer Bruder schon oft zu spüren bekommen. Wenn ich etwas wollte, hatte ich keine Scheu, mich komplett zum Affen zu machen. Ich brüllte und tobte und schrie dann wie am Spieß, und brachte damit schon so manches Mal meine Familie an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Auch standen schon das eine oder andere Mal die Nachbarn vor der Tür, um sich besorgt zu erkundigen, ob denn alles in Ordnung sei bei uns. Die dachten, meine Eltern würden mich abschlachten, so extrem und herzzerreißend konnte ich schreien.
    Jedenfalls gab ich ungern einfach so auf. Ich versuchte immer, meinen Willen durchzusetzen. Nachdem meine Mutter mein Zimmer verlassen hatte, kletterte ich flugs aus meinem Bett, schlich zum Wohnzimmer und wartete dort vor der verschlossenen Tür. Einen Plan hatte ich nicht. Mein Vater bemerkte mich aber recht schnell und polterte gleich los: „Tanja, aber ab ins Bett. Jetzt wird geschlafen!“ „Aber ich hab´ noch Durst“, setzte ich ihm trotzig entgegen. Die gängigen Tricks, um das Schlafen immer wieder hinauszuzögern, wurden durchgespielt: Hunger, Durst, Pippi machen. „Nein, Tanja, das ist nur Theater! Du hast gar keinen Durst. Jetzt geh´ wieder in dein Bett, aber dalli!“. Am Tonfall meines Vaters konnte ich erkennen, dass ich mir keinen weiteren Verzögerungsversuch erlauben sollte. Ich schlurfte schmollend in meine Zimmer zurück. Dann bleib ich eben hier, dachte ich, aber ich werde nicht schlafen, ich werde einfach spielen. Als ich wieder aus meinem Bett krabbelte, und mich an meinen kleinen Schreibtisch setzte, um zu malen, polterte mein großer Bruder Michael herein. Er war schon 14 und musste keinen Mittagsschlaf mehr machen. Er durfte bei den Großen bleiben. „Tanja, was soll das, du musst jetzt schlafen! Denkst du, wir merken das nicht? Ich habe von draußen genau gehört, dass du hier drinnen rumwerkelst. Jetzt aber husch,

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