Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen
schlafen!“ Ich hasste es, wenn mein Bruder einen auf Vater machte. Beleidigt zog ich mich in mein Bett zurück. Und ich spürte, dass ich erst wieder raus durfte, wenn ich wirklich ein bisschen geschlafen hätte. Ich war gefangen im Mittagsschlaf.
Als mein Bruder wieder draußen war, merkte ich, dass ich plötzlich dringend aufs Klo musste. Verdammt, dachte ich. Sofern man „verdammt“ als Fünfjährige schon denken kann. Ich musste nicht nur klein, sondern auch groß. Da ich es mir aber mittlerweile mit meiner Familie verscherzt hatte, und sie mich sicher verfluchen würden, wenn ich jetzt noch mal ein drittes Mal rauskommen würde, saß ich nun in der Falle. War ich eben noch forsch und mutig, hatte ich jetzt richtig Angst. Angst davor, wie sehr sie mit mir schimpfen würden. Und gleichzeitig hatte ich Panik, denn ich musste ja nun mal wirklich mein Geschäft erledigen. Ich konnte es nicht verkneifen und eine Stunde warten, bis ich wieder raus kommen durfte. An Einschlafen war unter diesen Umständen schon gar nicht zu denken. Was also jetzt tun? In die Hose machen, das war selbst mir zu eklig. Die Zeiten waren ein für alle mal vorbei. Dann fiel mein Blick auf den kleinen Papierkorb unter meinem kleinen Schreibtisch. Das ist es, das ist die Lösung, dachte ich und war erleichtert. Vorsichtig und leise krabbelte ich aus dem Bett, diesmal sehr darauf bedacht, keine Geräusche zu machen. Ich kannte meinen Bruder, ich traute ihm zu, dass er weiter vor der Tür lauern würde. Ich zerrte den Papierkorb ein Stück vor, zog meine Unterhose runter, hockte mich drüber und pieselte drauf los. Ich spritzte mich dabei ziemlich voll, denn so ein Papierkorb ist nun mal löchrig. Dann startete ich, um mein größeres Geschäft zu machen. Aber das war gar nicht so einfach. Ich konnte mich kaum in der Hockstellung über dem Papierkorb halten. Dennoch drückte ich, zu groß war der Drang.
Ich war schon erleichtert, das Problem endlich gelöst zu haben, als ich mit Entsetzen feststellte, dass ich den Papierkorb leider nicht getroffen hatte. Sich beim Pullern etwas anzustrullern ist das eine, das kann man irgendwie wegstecken, der Ekel hält sich halbwegs in Grenzen. Aber seine Kackwurst neben die Schüssel bzw. in meinem Fall neben den Mülleimer zu platzieren, ist schon etwas anderes. „So eine Scheiße“, murmelte ich. Und da hatte ich im wörtlichen Sinne recht. Da lag, unter meinem Schreibtisch, neben meinem Mülleimer, meine kleine Kackwurst. Was sollte ich bloß tun? Ich bekam Panik. Und eklig war das alles auch noch. Ich schnappte mir ein Stück Bastelpapier und umklammerte damit vorsichtig die Wurst. Ich hatte das gute Stück schon fast in den Papierkorb manövriert, als die Tür plötzlich aufging und mein Bruder reinschaute. „Was ist denn hier los?“ fragte er. Dann rümpfte er seine Nase. „Tanja, was machst du denn da? Hier stinkt es außerdem total!“ Ich war starr vor Schreck. Noch immer hielt ich meine Kackwurst in dem Stück roten Bastelpapier in der Hand. Ich starrte meinen Bruder an, starrte auf die Sauerei, und dann fing ich bitterlich an zu weinen. Ich hatte solche Angst vor dem, was jetzt kommen würde. Dass er schimpfen würde, dass er mich auslachen würde. Aber, in Momenten wo es drauf ankam, konnte ich auf meinen großen Bruder zählen. Er kam zu mir rein, schloss leise die Tür hinter sich und kniete sich zu mir. Er checkte sofort, was los war. „Du musstest dringend auf Klo und hast dich nicht getraut, raus zu kommen, weil wir vorher die ganze Zeit mit dir geschimpft haben, oder?“ Ich nickte stumm, während mir noch immer die Tränen über meine Wangen kullerten. „Und dann hast du dir das hier überlegt, aber es ist ein bisschen schief gelaufen, stimmt´s?“ Ich nickte wieder. „Okay, ich helfe dir.“ Dann nahm er mir meine Kackwurst aus der Hand – das muss Bruderliebe sein – und kommentierte das auch nicht weiter. Ein wahrer Gentleman. Er ging damit zum Klo, spülte sie weg. Er holte einen Lappen, wischte alles sauber und spülte auch meinen Papierkorb aus. Dann ging er mit mir noch mal ins Bad, und half mir, meine Hände zu waschen. Ich merkte, dass er sich ein Grinsen trotzdem kaum verkneifen konnte. Ich schaute ihn böse an. Meine Blicke flehten ihn an, er möge meinen Eltern nichts davon erzählen. Er verstand, sagte aber trotzdem: „Süße, tut mir leid, die Story ist zu witzig, als dass ich sie für mich behalten könnte.“ „Manno!“ sagte ich nur. Beleidigte Mädchen
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