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Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen

Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen

Titel: Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henriette Frädrich
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tat, schien er zu verachten. Als ich sagte, ich würde gern mal Schauspielerin werden, lachte er mich nur aus, und redete sich richtig wütend in Rage und echauffierte sich über die bunte Spaß-Glitzer-Welt. Generell war das ein Muster bei ihm: Sobald man Spaß hatte, zog er plötzlich einen Flunsch und vermieste allen, völlig ohne Grund, die Stimmung. Auch wenn ich äußerte, mal einen Job haben zu wollen, der mir Spaß macht, lachte er nur hämisch. „Arbeit ist nicht dazu da, Spaß zu haben!“, war sein trockener und ernst gemeinter Kommentar dazu. Wenn meine Mutter einkaufen war, kontrollierte er, was sie alles gekauft hatte und regte sich furchtbar darüber auf, wenn der Kühlschrank mal proppevoll war. Er war nur glücklich, wenn der Kühlschrank leer war. Überfluss war ihm ein Graus. Hatte meine Mutter am Wochenende gekocht und stellte sie das meistens sehr köstliche Essen auf den Tisch, musterte mein Vater die Mengen und schimpfte sofort los: „Wer soll das alles essen, häh?! Das ist viel zu viel!“. Dann setzte er sich schlecht gelaunt an den Tisch und überzog das schöne Essen mit seiner Bitterkeit. Statt einem netten Tischgespräch herrschte eisige Stimmung. Er vergiftete uns alle. Und es war absurd. Es schien, als schien er alles schöne und lustige aus seinem Leben verbannen zu wollen. Was andere, normale, Menschen glücklich macht (z.B. viel und gutes Essen, Spaß haben) schien ihn zu stressen. Woher das kommt, ist ein Rätsel.
    Den Vogel schoss er aber ab, als meine Ausgehphase anfing. Natürlich will man als Teenager-Mädchen auch abends irgendwann länger weg bleiben, ausgehen, auf Partys gehen. Auch hier verhielt ich mich halbwegs vernünftig. Ich wusste, dass ich bei meinen Eltern auf Granit beißen würde und versuchte lange Zeit erst gar nicht, um ihre Erlaubnis zu bitten, abends ausgehen zu dürfen. Und so erzählten die anderen in der Schule immer von ihren nächtlichen Abenteuern, während ich stumm und neidisch zuhörte. Ich verpasste den Spaß meines Lebens. Scheiße. War wieder eine große Party angesagt, ging es nur über die Nummer, bei meiner besten Freundin übernachten zu dürfen. Ihre Mutter, die echt cool war, fuhr uns dann zu den Partys hin und holte uns auch wieder ab. Meinen Eltern verrieten wir nichts. Ob sie sich ihren Teil denken konnten oder wirklich davon ausgingen, dass wir brav im Pyjama im Bett liegen und uns Pferde-Heftchen angucken würden, muss ich sie mal fragen.
    Doch irgendwann war ich 17 Jahre alt, fast volljährig sozusagen, und ich musste meinen Eltern endlich zeigen, wo der Hammer hängt. Sie mussten lernen zu akzeptieren, dass ich nachts eben unterwegs war, auch bei meinem Freund mal schlief. Das ging erstaunlicherweise ganz gut, sie schienen sich damit abgefunden zu haben. Natürlich schikanierte mich mein Vater weiter. Wenn ich erst spät in der Nacht nach Hause kam, stürzte er Sonntag morgen um 7:30 Uhr in mein Zimmer und verdonnerte mich zum Brötchen holen oder Frühstück machen. Sein Kommentar dazu: „Wer Party macht, kann auch früh aufstehen!“. Was hatte ich diesem Menschen nur angetan?
    Doch das war noch längst nicht alles an Schikane. Als ich einmal nachts nach Hause kam und mich leise in die Wohnung schleichen wollte, bekam ich die Wohnungstür nicht auf. Sie war verriegelt. Von innen. Mein Vater wusste ganz genau, dass ich unterwegs war. Und er wollte, dass ich klingeln muss, um reinzukommen, damit meine Mutter mal sieht, wie lange ich böses Mädchen mich nachts rumtreibe. Ich hätte schreien können vor Wut. Ich hätte auch wieder gehen können, die Nacht irgendwo anders schlafen. Aber ich hatte keine Lust dazu, ich wollte in mein Bett. Also klingelte ich. Mehrere Male, bis ich endlich Geräusche von innen hörte. Meine Mutter machte schlaftrunken die Tür auf. „Wieso hast du denn keinen Schlüssel?“ murmelte sie. „Mama, ich habe einen Schlüssel, aber dein Göttergatte hat leider die Tür von innen verriegelt“ schimpfte ich. Ich hörte ihn aus dem Schlafzimmer rufen: „Oh, habe ich vergessen, wusste nicht, dass du noch nicht da bist.“ So ein Schwachsinn, dachte ich, wir verriegeln die Tür normalerweise nie von innen. Meine Mutter roch auch sofort, was los war und zeigte meinem Vater den Vogel: „Spinnst du? Was soll das?“. Damit hatte er nicht gerechnet. Er hatte gehofft, ich würde jetzt eine Standpauke bekommen. Aber stattdessen bekam er sie.
    Dieses nächtliche Theater wiederholte sich noch einige Male. Ich konnte

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