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Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen

Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen

Titel: Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henriette Frädrich
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sagen immer gerne „Manno.“ Ich wusste, ich hatte keine Chance, ihn zum Schweigen zu verdonnern. Ich hätte ihm meinen ganzen Gummibärchenvorrat anbieten können, oder meinen Lieblingsteddy, er hätte sich nie und nimmer auf einen Deal eingelassen.
    Ich lernte also an diesem Nachmittag eine besonders bittere Lektion: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Immerhin hat mich die Aktion so viele Nerven gekostet, dass ich danach tatsächlich hundemüde war und erschöpft ganze zwei Stunden schlief. Ich hatte meine peinliche Schmach schon fast vergessen, aber als ich nach dem Aufwachen wieder ins Wohnzimmer kam und mich meine Eltern, vor dem Besuch, mit „Na, da ist ja unsere kleine Papierkorb-Kackerin“ begrüßten und sich dabei fast totlachten, fiel es mir siedend heiß wieder ein. Ich schämte mich so. Aber mir blieb nichts anderes übrig, als ihnen den Spaß zu lassen. Je mehr ich beleidigt war, desto mehr würde ich sie anstacheln.
    Natürlich erzählen mein Bruder und meine Eltern diese Schenkelklopfer-Story in geselliger Runder immer wieder gern. Bis heute. Und ich, ich lache aus Verlegenheit mit. Aber noch immer möchte ich dann im Boden versinken. Und noch immer schäme ich mich unsäglich dafür. Schlimmer finde ich aber, wie lustig sich „meine Lieben“ noch immer darüber machen. Vielen Dank auch.

Als meine Mutter komplett durchdrehte
    Die Geschockte
    Susanna, 31, Grafikdesignerin
     
    Meine Mutter war schon mein ganzes Leben lang mein Vorbild. Sie war stark, schön, klug, lustig. Sie hatte das Leben immer im Griff, auch wenn das Leben es mal nicht so gut mit ihr und uns meinte. Meine Mutter konnte nichts aus der Fassung bringen, sie wusste immer, wo es langgeht, hatte immer ein offenes Ohr für meine Probleme, und immer gute Ratschläge parat, die mir halfen. Sie war mein Fels in der Brandung. Unser Verhältnis war liebevoll und innig. Ich war stolz auf sie und bewunderte sie für alles, was sie war und bisher in ihrem Leben geschafft hat. Egal was meine Mutter sagte, sie hatte immer Recht. Ich hatte nie einen Zweifel an ihrer Kompetenz, egal, um was es ging. Für mich stand sie immer auf einem Sockel. Unantastbar, unangreifbar, ohne jeden Zweifel.
    Natürlich war meine Mutter nicht perfekt. Sie konnte einem auch ganz schön auf den Keks gehen, sie war in manchen Dingen stur wie ein Ochse, und wenn sie der Meinung war, dass zwei plus zwei gleich sieben war, konnte man sie nicht davon überzeugen, dass zwei plus zwei gleich vier ist. Sie konnte auch harsch und gemein sein. Und über manche ihrer Entscheidungen, beruflich oder privat, konnte ich nur den Kopf schütteln. Dennoch hinterfragte ich sie nie. Ich verzieh ihr alles. Sie wird sich schon was dabei gedacht haben, redete ich mir dann immer ein. Dass meine Mutter fehlbar ist, passte einfach nicht in mein Bild von ihr. Ich wollte das nicht sehen. Meine Mutter war alles für mich.
    Besonders in Sachen Männer agierte meine Mutter ihr Leben lang äußerst fragwürdig, und hier schien sie nichts im Griff zu haben. Es schien, als würde sie sich stets auf den Erstbesten stürzen und sich an ihn klammern. Sie ging die Partnerwahl nie strategisch an. Sie überlegte sich nie, wer bin ich, wen will ich, wer passt zu mir. Sie wollte nur partout nicht allein sein. Ihr größter Horror: Single sein. Allein sein. Allein mit sich selbst sein machte für sie keinen Sinn. Sie verachtet Frauen, die allein in einem Restaurant sitzen. Und so war ihr jeder Partner recht. Ihr Beziehungsfazit: Zwei mal geheiratet, drei Kinder von zwei Männern, zwei Scheidungen. Die erste hielt immerhin um die 10 Jahre, aber das waren nicht unbedingt Jahre der Paar-Glückseligkeit. Die zweite Ehe mit einem brachte es auf ungefähr 12 Jahre. 
    Die Trennung von ihrem ersten Mann verlief halbwegs menschlich ab, sofern ich das, was ich als Kind mitbekommen hatte, beurteilen kann. Doch bei der zweiten Scheidung drehte meine Mutter völlig durch. Die Trennung kam für sie sehr plötzlich, obwohl alle anderen um sie herum deutlich wahr nahmen, dass es nicht mehr wirklich funktionierte zwischen ihr und ihrem Mann. Es war Drama pur. Sie liebten sich, sie hassten sich. Sie stritten wie Elizabeth Taylor und Richard Burton zu ihren besten Zeiten – nur um sich dann wieder mit viel Tamtam zu versöhnen. Es ging soweit, dass wir Außenstehende, Freunde, ihre Kinder, Kollegen, das ganze Theater schon gar nicht mehr ernst nahmen. Wir gingen davon aus, dass diese Beziehung

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