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Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen

Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen

Titel: Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henriette Frädrich
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anscheinend das ganze Drama braucht, so wie eine Suppe ihr Salz und ihren Pfeffer.
    Dann, eines Tages, verkündete Mann Nummer zwei für meine Mutter völlig überraschend das Ehe-Aus. Er könne nicht mehr, er wolle nicht mehr und basta. Meine Mutter war völlig vor den Kopf gestoßen, hatte sie doch auch erst kürzlich für sich beschlossen, sich in Sachen Ehe und Partnerschaft mehr Mühe mit ihrem Mann zu geben, sich mehr Zeit zu nehmen, mehr auf seine Bedürfnisse einzugehen. Mann Nummer zwei ließ dabei kein Hintertürchen offen. Er meinte es ernst. Er wollte sie einfach nur noch loswerden. Ende, Aus, Mickymaus. 
    Nun ist eine Trennung natürlich eine emotionale Notsituation, eine Katastrophe, ein Desaster. Und wir alle hatten vollstes Verständnis für den Zusammenbruch meiner Mutter, ihre Trauer, ihre Wut, ihre Enttäuschung, ihren Frust, ihre Ohnmacht und ihre Hilflosigkeit. Wir alle wussten, dass diese Nummer nicht von heute zauf morgen zu verarbeiten, geschweige denn, wegzustecken sein wird. Es würde ein langer, schwerer Weg werden. Für alle Beteiligten. Mit Ups und Downs, mit Schritten nach vorne und wieder zurück. Wir alle versuchten unser Bestes, sie zu unterstützen. Doch meine Mutter drehte komplett durch.
    Ich war völlig geschockt von ihrer heftigen Reaktion. Und auch absolut hilflos. Meine Mutter, die jedes Problem lösen konnte, mein Fels in der Brandung, krachte tosend ins Meer und zerbrach in tausend Stücke. Sie tobte, sie weinte, sie wurde hysterisch, sie schrie, sie plante irrwitzige Rachefeldzüge, sie war arbeitsunfähig, sie war nicht mehr sie selbst. Über Monate hinweg. Sie versuchte, ihn mit verschiedensten Strategien entweder wieder zurück zu gewinnen oder völlig zu vernichten. Ich erkannte sie nicht mehr wieder. Sie wurde fies, gemein und ausfällig auch ihren Freunden und uns, meinem Bruder und mir gegenüber. Zum ersten Mal in meinem Leben gab es Momente, in denen ich sie hasste. Es gab Momente, wo ich ihr Geheule am Telefon nicht mehr aushalten konnte und einfach wütend auflegen musste. Ich war hilflos. Ich wollte ihr helfen, konnte es aber nicht. Sie wechselte ihre Stimmung jeden Tag. Mal war sie manisch und völlig drüber, in einer merkwürdigen „Ich mach ihn fertig und zeigs der Welt“- Stimmung. Am nächsten Tag wiederum war sie in einem dermaßen schwarzen, depressiven Verfassung, sie war gefangen in einem dunklen Tunnel, alles war schlecht, nichts machte Sinn. Wir alle machten uns große Sorgen um sie. Wir waren verzweifelt, hatten Angst um sie, und gleichzeitig brachte sie uns fast um den Verstand.
    Ich wollte manchmal in dieser Zeit den Kontakt zu ihr abbrechen. Aber ich wusste natürlich, dass das im Moment eine Extremsituation war. Und ich spürte, dass ich diese Verantwortung hatte. Ich musste einfach für sie da sein. Als Tochter geht man ja davon aus, dass man für immer Tochter ist. Und die Mama für die Tochter da ist. Ein Leben lang. Doch plötzlich musste ich auf sie aufpassen. Sie machte es einem wirklich schwer, zu ihr zu stehen, denn so viele Ratschläge schlug sie in den Wind, sie machte was sie wollte. Und das war bei weitem nicht immer gut. Wir standen schon kurz davor, sie zwangseinweisen zu lassen. Wenn wir ihr empfahlen, sich professionelle Hilfe zu holen, schrie sie uns hysterisch an, wir wollten sie ja nur abschieben und „die verrückte Alte“ loswerden. Zudem kam es für sie, die immer alles in ihrem Leben allein geregelt hat, überhaupt nicht in Frage, zu einem Seelenklempner zu gehen. Später irgendwann, nach langem Dagegen-Ankämpfen, entschied sie sich doch dazu, sich Hilfe bei einem Therapeuten zu suchen.
    Was mich am meisten schockierte, war meine Mutter „in diesem Zustand“ erleben zu müssen. Als Kind lebt man so in seiner Blase und in dem Glauben, dass Mama einfach stark ist. Selbst als Erwachsene glaubt man das. Meine Mutter war immer die erste, die ich anrief, ob ich Probleme oder etwas freudiges zu berichten hatte. Sie war meine unangefochtene Bezugsperson. Und plötzlich erkannte ich sie nicht mehr wieder. Die Blase der Geborgenheit platzte. Ich war plötzlich allein. Hatte quasi keine Mutter mehr. Ich wusste nicht mehr, wer sie war. Die Frau, die ich vor mir sah, war nicht meine Mutter, die mich über 30 Jahre lang durch mein Leben sicher gelotst hat, die auf alles immer eine Antwort und immer eine Lösung parat hatte. Meine Mutter war ein hysterisches Nervenbündel, und es war nicht abzusehen, wann sie jemals wieder

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