Familientherapie ohne Familie
einer Behandlung vorzusehen. Dabei sollte man bedenken, dass die »Pause« die Zeit der Veränderung ist. Selbst wenn eine erhebliche Zeitspanne zwischen den Therapiestunden liegt, beschäftigt sich der Patient innerlich mit dem Therapeuten und dessen Interventionen über den verstreichenden Zeitraum. Der Patient ist in die Behandlung eingebunden, mit der er sich innerlich auseinandersetzen muss. Es ist ähnlich, wie wenn man von seinem Zahnarzt einen Termin in einem halben Jahr zur Routinekontrolle bekommt. Automatisch muss man beim Zähneputzen daran denken, dass dieser Termin existiert. Von den eigenen Zahnputzanstrengungen wird es abhängen, wie man bei der Kontrolle abschneiden wird...
Daneben sollte nicht übersehen werden, dass viele Änderungen Zeit in Anspruch nehmen. Ein neues Gleichgewicht in einer Familie oder einer Paarbeziehung benötigt zu seinem sicheren Aufbau einen spezifischen Zeitraum, unabhängig von der Häufigkeit der Therapiesitzungen. Insofern werden weit auseinanderliegende Sitzungen dieser Tatsache gerecht.
Auch die Dauer der einzelnen Sitzungen sollte von Patient zu Patient überdacht werden. 50 Minuten sind mittlerweile der anerkannte Standard für eine Sitzung. Dies ist aus organisatorischen Gründen günstig und wird abrechnungstechnisch im Rahmen der Krankenkassenbezahlung verlangt. Allerdings gibt es zum Beispiel in Deutschland auch Spielräume, diese Zeiten zu verkürzen oder zu verlängern, was durchaus in Anspruch genommen werden sollte.
Bei weit auseinanderliegenden Therapiesitzungen mag sich ein Therapeut eventuell wesentlich mehr Zeit lassen und dem Patienten eine fein ausgearbeitete Intervention mit auf den Weg geben. In der Praxis eines Hausarztes dagegen, der seine Patienten häufiger zu Gesicht bekommt und schon lange Jahre kennt, werden 15 Minuten Gesprächsdauer wesentlich besser passen. In einer Viertelstunde kann er sich oft einen guten Eindruck über das aktuelle Problem machen und eventuell eine erste Intervention geben. Er kann gegebenenfalls seinen Patienten nach einer Woche wieder einbestellen, um den Blutdruck zu kontrollieren und sich außerdem nach dem Problem zu erkundigen. Solch ein Rhythmus ist einem Praxisbetrieb sehr viel angemessener als eine fast einstündige Therapie, die organisatorisch schwer für einen Arzt unterzubringen ist.
Ein wesentlicher Teil des Settings oder des Rahmens, in dem eine Therapie stattfindet, ist die geplante Gesamtdauer der Behandlung. Häufig werden Therapien ohne klare Formulierung über diesen Punkt begonnen. Wenn keine Grenzen formuliert werden, ist meist unausgesprochen damit gemeint: Es wird lange dauern. Bei Behandlungen, die von der Krankenkasse bezahlt werden, wird der Therapeut erwähnen, die Kasse bezahle 25, 50, 100 oder eine andere Zahl von Stunden. Alles, was darüber hinausgehe, müsse der Patient dann selbst tragen. Solche ausgesprochenen oder unausgesprochenen Zeiträume stärken selbstverständlich eine ausgesprochen regressive Haltung, die es dem Patienten implizit erlaubt, für Veränderung viel Zeit in Anspruch zu nehmen.
Gleichzeitig bedeutet es auch, dass mit einer definitiven Besserung erst in einiger Zeit zu rechnen ist.
Dagegen fördern Vereinbarungen über eine begrenzte Therapiedauer die Bereitschaft zur absehbaren Veränderung. »Wir können uns ab jetzt alle 14 Tage (oder jede Woche/jeden Monat) einmal treffen, jedoch nicht mehr als zehnmal.« Dabei wird implizit eine Veränderung in diesem Rahmen angenommen. Beim Betroffenen wird dadurch eine eher aktive Einstellung zur Therapie gefördert.
Bei diesen Ausführungen soll nicht geleugnet werden, dass bestimmte Bereiche des psychischen Erlebens dabei nur schwerer erreichbar sind. Durch die antiregressive Einstellung werden die sogenannten frühen Störungen leicht ausgeblendet, da sie eher in einer regressionsfördernden Atmosphäre zur Darstellung gelangen. Dagegen wird die Bewältigung von realen Aufgaben sicher wesentlich leichter gelingen. Genau genommen sind die Zusammenhänge noch verschränkter: »Reale Handlungskompetenz« und »frühe Störung« können wohl nicht so antithetisch gegenübergestellt werden. Bei jeder Zunahme an realer Fähigkeit, das Leben zu bewältigen, wirkt dies zurück auf die gesamte Wahrnehmung der eigenen Persönlichkeit. Auch die Bewertung der eigenen Biografie verändert sich in dem Maß, in dem sich die Fähigkeit verändert, mit Ängsten, Zweifeln usw. umzugehen. So führt die »oberflächliche« Verbesserung
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