Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Familientherapie ohne Familie

Titel: Familientherapie ohne Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Weiss
Vom Netzwerk:
der Handlungskompetenz zu einem veränderten Selbstwertgefühl, was sich wiederum auf die soziale Umgebung auswirkt.
Der Therapierahmen
    Einem unvoreingenommenen Leser mag es selbstverständlich erscheinen, dass zu Beginn jeder Therapie ein Therapieziel formuliert wird. In den allermeisten Fällen ist das jedoch nicht der Fall. Anfänglich mag sich das Ziel aus den Beschwerden herleiten: Die Beschwerden (Ängste, Magenschmerzen oder Beziehungskonflikte) sollen beseitigt werden.
Nach kurzer Dauer der Therapie werden Therapeut und Patient feststellen, dass die Beschwerden nur die oberste Schicht einer tieferen Störung sind. Die Ziele werden unausgesprochen ausgeweitet. Ein »adäquaterer« Umgang mit dem anderen Geschlecht oder »Persönlichkeitsreifung« ist nun die neue Orientierung. Bei solch einer Zielsetzung lässt sich dann nur schwer angeben, ob und wann sie erreicht wurde. Sowohl Therapeut als auch Patient empfinden oft in diffuser Weise, es sei noch nicht zu Ende, ohne angeben zu können, warum. Beide leben in der Gefahr und Versuchung, sich in der Therapie einzurichten, sie als Teil des eigenen Lebens zu empfinden, auf den man kaum verzichten kann. Indem beide teilweise reale Lebenspartner werden, verliert sich das eigentliche Behandlungsziel in nebulöser Ferne. Dabei betrifft die Gefahr, sich in der Therapie einzurichten, nicht nur den Patienten. Auch der Therapeut lebt beständig in der Gefahr, seine Patienten als einen Teil seines Lebens anzusehen, besonders wenn sein Leben außerhalb des Berufes weniger befriedigend verläuft. Wenn Patienten sich dann ablösen möchten, kann dies der Therapeut als persönlichen Verrat empfinden.
    Kurztherapie verlangt daher die möglichst konkrete Formulierung von Therapiezielen zu Beginn einer Behandlung. Nicht allgemeine Formulierungen wie »peace, love and happiness« oder »Reifung«, sondern äußerlich erkennbare Merkmale erleichtern die Erkenntnis, wann eine Therapie ihr Ziel erreicht hat:
    »Woran werden Sie am ehesten feststellen, dass die Therapie ein Erfolg ist?«
    »Was wird sich an Ihrem Verhalten am deutlichsten ändern?«
    »Woran wird Ihr Partner erkennen, dass Sie keine Therapie mehr brauchen?«
    »Was wären wohl die ersten Anzeichen für den Beginn einer Veränderung?«
    Wenn ein depressiver Patient als Ziel formuliert, er wolle frei von allen bedrückenden Gefühlen werden, so ist das nur
wenig hilfreich. Es erschwert im Gegenteil die Therapie deutlich, da Bedrücktheit zum Leben gehört. Ein Teil der Behandlungsprobleme bei einer Depression betrifft gerade die Schwierigkeit, zwischen den »normalen« und den »nicht normalen« Bedrücktheitsgefühlen zu unterscheiden.
    Günstiger wird es daher sein, mit dem Patienten zu erarbeiten, wie der Ehepartner einen Therapieerfolg am äußeren Verhalten des Patienten erkennen kann. Wie wird er sich dann benehmen, was wird anders sein? Usw.
    Solche Ziele könnten sein: eine Woche morgens regelmä ßig aufstehen, keinen Tag im Bett verbringen, täglich einen Spaziergang machen, keine Selbstmordgedanken dunkel andeuten oder von sich aus regelmäßig im Haus aufräumen.
    Man kann dann fragen: »Was ist wohl der erste Schritt für Sie, um dieses Ziel zu erreichen? Ist es in der Vergangenheit schon einmal vorgekommen, dass Sie von sich aus aufgeräumt haben? Wie haben Sie das gemacht?«
    Therapieziele sollten in ihrem Ausmaß eher bescheiden sein. Nicht die großen Veränderungen werden angestrebt, sondern die begrenzten, aber erkennbaren. Das Merkmal der Kurztherapie ist es, kleine Veränderungen anzustreben. Nicht weil die großen Veränderungen nicht erreichbar wären, sondern weil kleine Schritte schneller vorwärtsbringen als große.
    Es ist einer der Mythen der Psychotherapie, dass Patienten in einer Behandlung die Probleme von Grund auf lösen müssten. Es ist die Modellvorstellung vom »seelischen Großreinemachen«. Tatsächlich kann es in der Psychotherapie jedoch nicht darum gehen, mit dem Patienten das Haus vom Keller bis zum Dachboden aufzuräumen und neu zu möblieren. Günstiger scheint es, dem Patienten zu zeigen, wo sich Besen und Schaufel befinden und wie er damit umgehen sollte.
    Die Fragen nach einem Therapieziel können manchmal hilfreicherweise zirkulär gestellt werden, zum Beispiel, wenn der Patient selbst kaum angeben kann, wie er sich einen erstrebenswerten Zustand vorstellt:

    »Wenn ich Ihre Frau jetzt fragen könnte, was wohl ein Ziel der Behandlung sein könnte, was würde sie sich als

Weitere Kostenlose Bücher