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Familientherapie ohne Familie

Titel: Familientherapie ohne Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Weiss
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Verschreibung gegeben werden: »Werfen Sie jeden Morgen eine Münze, wie Sie sich verhalten sollen. Bei ›Kopf‹ bemühen Sie sich, so freundlich und angepasst zu sein, wie es Ihnen möglich ist. Bei ›Zahl‹ zeigen Sie die ganze Palette Ihrer ruppigen und unfreundlichen Seiten. Am Sonntag werfen Sie keine Münze, sondern verhalten sich gerade, wie Ihnen in den Sinn kommt.«
    Viele Varianten sind hier denkbar, die alle darauf abzielen, ein Element der Ambivalenz leben zu lassen, um damit die Wahrnehmung des Patienten für die Konsequenzen zu schärfen.
Gerade und ungerade Tage 34
    Das Mailänder Team setzte, ähnlich dem Münzwurf, das Ritual von den geraden und ungeraden Tagen ein. Statt den Konflikt täglich aufleben zu lassen, wird er zeitlich gestreckt, und beide Seiten bekommen die Gelegenheit, ihre jeweiligen Vorstellungen zu realisieren. Das Prinzip dieser Intervention ist, dass jeweils ein Partner an den geraden, der andere Partner an den ungeraden Tagen des Monats seine Erziehungsvorstellungen (oder auch andere Ziele) realisieren darf. Der jeweils inaktive Partner übernimmt dabei die Rolle des Beobachters.
    Auf Seite 59 f. wurde dieses Vorgehen bereits eingehend dargestellt. Es sei hier nur der Vollständigkeit halber noch einmal aufgezählt.

Schreiben, Lesen, Verbrennen 35
    Das folgende Ritual stammt aus Milwaukee. Es folgt einem ähnlichen Muster wie der strukturierte Kampf oder der Münzwurf. 36 Angewendet wird die Intervention bei hochgradig festgelegten Symptomen wie Zwangsgedanken oder bestimmten, eingefahrenen Ängsten, die scheinbar unbeeinflussbar immer wieder auftauchen. Hier lautet die Verschreibung folgendermaßen:
    1. Der Patient soll sich eine Stunde am Tag reservieren. In dieser Zeit soll er sicher sein, ungestört und konzentriert arbeiten zu können. Dies sollte möglichst an einem Ort sein, an dem er sich wohlfühlen kann.
    2. An den geraden Tagen des Monats soll er während dieser Stunde seine Befürchtungen und Ängste penibel genau aufschreiben. Falls das Material nicht ausreichen sollte, empfiehlt der Therapeut, nicht vor Wiederholungen zurückzuschrecken – auch wenn er denselben Satz immer wieder schreiben müsste.
    3. An den ungeraden Tagen des Monats werden die Notizen erst sorgfältig gelesen und am Ende der Zeit verbrannt.
    4. Am folgenden Tag beginnt dann das Schreiben wieder usw.
    5. Die Gedanken, die nicht zu der bedrückten Stimmungslage der täglichen Übung passen, werden auf einen späteren Zeitpunkt des Tages verlegt.
    Die Erfahrung zeigt, dass es sehr schwer ist, mehr als einige Runden des Rituals durchzuhalten. Es ist schon schwer, eine Stunde konzentriert depressive und ängstliche Gedanken aufzuschreiben, da durch die Distanz des Schreibens nach einer Weile eine kritische Wertung beginnt. (»Sind die Dinge denn wirklich so schlimm?«) Das depressive Werk am nächsten Tag dann wieder lesen zu müssen, gerät so zu einer Zumutung, die das Verbrennen als Befreiung erleben lässt. In der Wiederholung des täglichen Aufschreibens und Lesens werden auch die
stereotype Wiederholung und die depressiven Befürchtungen karikiert. Das Konzentrieren auf einen Zeitpunkt am Tag erleichtert so eine Distanzierung von den problematischen Gedanken.
Wohlwollende Sabotage 37
    Diese Intervention bezieht sich vorwiegend auf Erziehungsprobleme, bei denen Eltern von heranwachsenden Kindern in einen hoffnungslosen Machtkampf verstrickt werden und gleichzeitig hilflos unterlegen sind. Zu oft schon sind Bitten und auch Drohungen von den Eltern ausgesprochen worden. Sie blieben ohne jede Wirkung. Die Intervention der »wohlwollenden Sabotage« wird besonders den Familien gegeben werden, wo die Eltern nur mit Mühe tatsächliche Autorität ausüben können. Zwar sprechen die Eltern Verbote aus – allerdings ohne Konsequenzen. Häufig sind das Familien, in denen die Jugendlichen zu früh erwachsen sein müssen, da die Eltern wenig Grenzen setzten. Aufreibende und gleichzeitig ergebnislose Machtkämpfe sind die Folge. Wenn also andere Mittel versagt haben, empfiehlt der Therapeut den Eltern, bewusst in die unterlegene Position zu gehen. Anstatt sich weiter mit dem Sohn zu streiten, weil er spät nachts nach Hause kommt und sich nicht an die vereinbarte Zeit hält, zeigen die Eltern eine resignierte Einstellung.
    »Wir wissen, wir können dich nicht hindern, so spät nach Hause zu kommen und dann morgens in der Schule müde zu sein.«
    Damit weichen Eltern dem Kampf aus. Auf der anderen Seite

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