Fanal des Blutes
schwarzglänzende Bettwäsche und die verwirrend vielen Spiegel in dem dunklen, nur von zwei kleinen, golden schimmernden Lampen erhellten Raum sicher in eine andere, erfreulichere Stimmung versetzt. Aber jetzt hatte er keinen Sinn dafür.
Er bettete Seven auf die Kissen. Dann machte er sich daran, ihr die enge Jeans und das hautenge rote Top auszuziehen. Beides saß unbequem stramm.
Als er Seven jetzt nackt bis auf die Unterwäsche vor sich in den schwarzen Laken liegen sah, konnte er nicht widerstehen. Sacht ließ er seine Fingerspitzen über die seidenweiche Haut ihres Bauches gleiten, doch es war eher eine zärtliche als eine leidenschaftliche Berührung, und gleich darauf zog er seine Hand auch schon wieder zurück in dem Bewußtsein, daß er sich etwas stahl, das er sich eigentlich als freiwillige Gabe ersehnte.
Schließlich breitete er die leichte Decke über Seven aus. Sie atmete jetzt tief und gleichmäßig. Wahrscheinlich würde sie die Nacht durchschlafen bis zum nächsten Morgen.
Die beiden Lampen ließ er brennen, als er ins Wohnzimmer zurückkehrte. Er brachte Aschenbecher und Gläser in die Küche und goß den restlichen Whisky aus der Flasche in die Spüle. Dann riß er ein Blatt aus seinem Notizbuch und kritzelte ein paar Zeilen darauf. Daß er ausgerechnet jetzt die Stadt verließ, da sie ihn offensichtlich brauchte, gefiel ihm gar nicht. Aber er hatte keine Wahl, wollte er endlich mehr Klarheit in die mysteriösen Leichenfunde bringen.
Hoffentlich kommt sie bald wieder soweit zu Verstand, dachte er, als er die Wohnungstür hinter sich zuzog. In diesem Zustand ist sie eine Gefahr für sich selbst!
Wie recht er mit dieser Beurteilung hatte, sollte er erst viel später erfahren. Daß die größte Bedrohung für Seven allerdings nicht in ihrer abgrundtiefen Verzweiflung lag, sondern sozusagen »von innen kam«, konnte er nicht ahnen .
*
»Wird sie auch nicht umfallen?« Winston Furcher, dessen distinguiertes Äußeres kaum jemanden auf seine grauslige Profession hätte schließen lassen, warf einen skeptischen Blick auf Lilith. Darren konnte seine Zweifel durchaus verstehen. Lilith hatte den Symbion-ten ein kurzes weißes Hängerkleidchen nachbilden lassen, in dem sie zwar unbestreitbar süß, aber irgendwie auch unangemessen mädchenhaft aussah.
»Das wird sie bestimmt nicht!« versicherte Darren dem Kollegen und lachte rauh auf. »Sie ist härter gesotten, als sie wirkt.« Mit einiger Mühe verdrängte er die Erinnerung daran, wie er Lilith unter der Dusche gesehen hatte - als sie Ströme von Blut von ihrem Körper wusch. Der Anblick hatte ihm einen Schock versetzt, von dem er sich nur langsam erholte.
Bei allem Liebreiz: Diese Frau war kein Mensch, jedenfalls nicht vollständig. An die Bestie in ihr würde er sich nie gewöhnen können, das wußte er schon jetzt. Auch wenn seine Träume und heimlichen Wünsche ihm eine andere Lilith vorgaukeln mochten.
»Also, was ist nun?« Lilith, die ein paar Schritte vorausgegangen war, drehte sich zu den beiden Männern um.
»Wir kommen schon, Gnädigste.« Winston deutete beflissen eine Verbeugung an. »Es ist ... nun, etwas gewöhnungsbedürftig, daß eine junge Frau so darauf drängt, Zugang zur Leichenhalle zu erhalten.«
Lilith erwiderte nichts darauf. Winston Furcher mit seinen gelackten schwarzen Haaren, dem eleganten grauen Anzug und den übertrieben untadeligen Umgangsformen war nicht ihr Geschmack - im wahrsten Sinne des Wortes. Er war zu glatt, zu höflich . kurzum: zu langweilig.
Zu dritt ging es hinab in die Kellertiefen des Pathologischen Instituts. Die Kälte in dem trist gekachelten Arbeitsraum machte Lilith nicht viel aus, doch das Ambiente schlug sogar ihr aufs Gemüt. Erstaunlich, daß man hier nicht nach der ersten Nachtschicht schwermütig wurde.
Mit geübten Griffen öffnete Winston Furcher eine der entfernt an Kühlschränke erinnernden Türen an der längeren Raumseite und zog schwungvoll einen Wagen heraus. Lässig entfernte er das gelbliche Tuch, das darüber lag.
Mit professioneller Neugier trat Darren näher. Ohne Zögern folgte ihm Lilith.
Bei dem Toten handelte es sich um einen alten Mann. Er hatte sicher mehr als siebzig Lebensjahre auf dem Buckel gehabt, bevor er einem alkoholumnebelten Autofahrer zum Opfer gefallen war. Seine Haut war unnatürlich bleich, farbloser noch und durchscheinender als eben »leichenblaß«. Sie spannte sich über die Knochen, wirkte eigenartig pergamenten, so als sei jegliche
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