Fandorin
aufgefallen. Ziemt es sich, fremde Damen so anzustarren? Aber pfiffig, ich muß schon sagen! Ist mir auf den Fersen geblieben! Student? Oder Müßiggänger?«
»Fandorin, Erast Petrowitsch«, stellte der Gefragte sich vor und schwankte, wie er sich der Dame im weiteren empfehlen sollte; Kleopatra schien sein Verhalten jedoch schon auf ihre Weise gedeutet zu haben.
»Die Dreisten mag ich leiden«, sagte sie lächelnd. »Erst recht, wenn sie so nett aussehen. Aber Spionieren ist nicht fein. Wenn meine Person Sie so sehr interessiert, beehren Sie mich heute abend wieder – auf einen mehr kommt’s nicht an. Dann können Sie Ihre Neugier zur Genüge befriedigen. Und bitte schön im Frack. Bei mir herrschen freizügige Sitten, aber die Herren, so sie keine Militärs sind, haben im Frack zu erscheinen – das ist Gesetz.«
Der Abend kam, und Erast Fandorin hatte sich in Schale geworfen. Zwar war ihm der väterliche Frack in den Schultern etwas weit, doch Agrafena Kondratjewna, die gute FrauGouvernementssekretärin, bei der Fandorin ein Zimmerchen zur Miete bewohnte, steckte ein paar Nadeln entlang der Naht, bis er ordentlich saß – wenigstens, solange man ihn nicht knöpfte. Ein riesiger Kleiderschrank war das einzige gewesen, was der gescheiterte Spekulant dem Sohn vererbt hatte; darin zum Beispiel fünf Paar weiße Handschuhe. Eine Seidenweste von Burgess und Lackschuhe von Pironet schossen den Vogel ab. Auch der nagelneue Zylinder aus dem Hause Blanc war nicht zu verachten, er rutschte allerdings etwas tief in die Stirn. Was nicht weiter schlimm war, man gab ihn am Eingang ab, das genügte. Auf das Stöckchen verzichtete Fandorin – zu gewagt, wie er fand. Er drehte sich vor dem Spiegel im dämmrigen Flur und war zufrieden, besonders was die vom unbarmherzigen »Lord Byron« ideal fassonierte Taille anging. In der Westentasche lagerte der Silberrubel, den Gruschin für einen Blumenstrauß spendiert hatte – »einen anständigen, aber ohne Protz«. Die Frage, welchen Protz man sich für einen lausigen Rubel hätte leisten können, verkniff sich Fandorin und beschloß statt dessen, einen halben aus eigener Tasche dazuzulegen, damit es für Veilchen aus Parma reichte.
Der Blumen wegen mußte er nun auch noch eine Droschke bezahlen. Als Erast Fandorin vor dem Palast der Kleopatra anlangte (den Namen fand er für Amalia Kasmirowna Beshezkaja ausgesprochen passend), war es Viertel vor neun.
Die Gästeschar war schon beisammen. Noch im Vestibül konnte Schriftführer Fandorin, vom Stubenmädchen eingelassen, ein Gewirr aus vielen Männerstimmen hören, dazwischen ließ sich auch die eine silberhelle kristallklare ausmachen, die Stimme der Zauberin. An der Schwelle zögerte Fandorin ein wenig, nahm seinen Mut zusammen und trat nun einigermaßen forsch über sie hinweg; ihm lag daran, denEindruck eines gestandenen und weltgewandten Mannes zu erwecken. Die Mühe war umsonst – keiner schenkte dem Eintretenden Beachtung.
Fandorin blickte in einen Salon mit behaglich wirkenden saffianledernen Diwanen, samtbezogenen Stühlen und vornehmen Rauchtischchen, alles sehr stilvoll und modern. Auf einem Tigerfell in der Mitte des Raumes stand die Hausherrin, zur Spanierin herausgeputzt: purpurnes Kleid mit Korsage, eine feuerrote Kamelienblüte im Haar. Sie war so schön, daß es Fandorin den Atem verschlug. Er kam darum nicht gleich dazu, die Gäste näher zu betrachten, sah nur, daß es ausnahmslos Männer waren. Achtyrzew war auch da, er saß ein wenig abseits und schien ziemlich blaß.
»Da ist ja auch mein neuester Verehrer!« rief die Beshezkaja und sah Fandorin lachend an. »Nun haben wir das Teufelsdutzend voll. Alle vorzustellen dauert mir zu lange, aber sagen Sie, wie Sie heißen, ich habe es schon wieder vergessen, nur daß Sie Student sind, weiß ich noch.«
»Fandorin«, krähte er mit verräterisch zitternder Stimme, und er wiederholte noch einmal, eine Oktave tiefer: »Fandorin.«
Alle schauten ihn an, aber eher flüchtig, es war klar, daß der hinzugekommene Grünschnabel niemanden interessierte. Man spürte sofort, daß es in dieser Runde einen Mittelpunkt gab. Untereinander sprachen die Gäste kaum, alle hatten sie nur Augen für die Gastgeberin, und ausnahmslos jeder, selbst der gravitätische alte Herr mit dem Brillantstern, überschlug sich, um die anderen in den Schatten zu stellen und die Aufmerksamkeit der Dame wenigstens für einen Moment auf sich zu lenken. Lediglich zwei der Anwesenden
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