Fandorin
vor allen, das ist wohl wahr«, stimmte die Beshezkaja Achtyrzew zu, und ihre Augen blitzten. »Gut, spielen wir um die Aufrichtigkeit – wie ihr wollt. Hoffentlich kriegt es der Glückliche nicht mit der Angst, wenn er die Wahrheit von mir zu gewärtigen hat? Sie könnte ihm schlecht bekommen!«
Der Graf stellte sich in alberne Positur und kollerte in Pariser Manier: »
J’en ai le frisson que d’y penser.
Zum Teufel mit der Wahrheit, meine Herren. Wen interessiert sie? Wollen wir nicht lieber amerikanisches Roulette spielen? Wäre das keine Versuchung?«
»Ippolit, ich hatte mich doch wohl deutlich genug ausgedrückt!«ließ die Göttin einen Blitz auf ihn niederfahren. »Und ich sage es nicht noch einmal.
Davon
kein Wort mehr!«
Ippolit verstummte augenblicklich, hob gar die Hände – ich bin ja schon still, sollte das heißen.
Währenddessen sammelte der flinke Hauptmann die Pfänder in seine Mütze. Fandorin legte das Batisttuch seines Vaters mit dem Monogramm
P. F.
hinein.
Der aalglatte Anton Iwanowitsch durfte ziehen. Gleich als erstes zog er die Zigarre hervor, die er selbst hineingelegt hatte, und fragte in servilem Ton: »Was bekommt dieses Pfand?«
»Vom Kringel das Loch«, erwiderte Kleopatra, das Gesicht zur Wand gedreht, und alle außer dem Glatten lachten gehässig.
»Und dieses?« Aufs Geratewohl zog Anton Iwanowitsch den Silberstift des Hauptmanns aus der Mütze.
»Den Schnee vom vorigen Jahr.«
Es folgten eine Uhr im Medaillon (»die Ohren vom Fisch«), ein Satz Spielkarten (»
mes condoléances
«), eine bernsteinene Zigarettenspitze (»viel Lärm um nichts«), ein alter Hundertrubelschein (»dreimal nichts«), ein Schildpattkamm (»viermal nichts«), eine einzelne Weinbeere (»die Mähne von Orest Kirillowitsch« – anhaltendes Gelächter, das einem absolut kahlköpfigen Herren mit Wladimir-Orden am Revers galt), eine Nelke (»dem nie und nimmer«). Nun lagen nur noch zwei Pfänder in der Mütze: Fandorins Tuch und Achtyrzews goldener Ring. Als nächstes glänzte der Ring in den Fingern des Spielmeisters, der Student beugte sich weit nach vorn, und Fandorin sah Schweißperlen auf die pickelübersäte Stirn treten.
»Der, ja, vielleicht könnte der …?« fragte sich Amalia Kasimirowna gedehnt, die es wohl allmählich leid war, für dieUnterhaltung der Gäste zu sorgen. Achtyrzew hielt es nicht auf seinem Stuhl, er riß sich, ohne seinem Glück noch ganz zu trauen, den Zwicker von der Nase. »Ach nein, dem doch nicht, lieber dem letzten!« beschied die Schicksalsgöttin, womit die Folter ein Ende hatte.
Alles drehte sich zu Fandorin um, die meisten nahmen erst jetzt richtig von ihm Notiz. Die letzten Minuten, während seine Chancen stetig wuchsen, hatte er fieberhaft überlegt, wie er sich im Glücksfall verhalten sollte. Nun waren alle Zweifel ausgeräumt. Es hatte so kommen sollen.
Aber da sprang Achtyrzew auf ihn zu und wisperte voller Inbrunst: »Treten Sie zurück, ich flehe Sie an. Was wollen Sie denn … Sie sind zum ersten Mal hier, für mich hingegen ist es die Stunde des Schicksals. Verkaufen Sie mir einfach Ihr Anrecht. Wieviel wollen Sie? Fünfhundert, tausend? Mehr?«
Mit ruhiger Entschiedenheit, die ihn selbst in Erstaunen setzte, schob Fandorin den verzweifelt Flüsternden beiseite, stand auf, trat auf die Gastgeberin zu und fragte, sich verbeugend: »Wohin wünschen Sie, daß wir uns zurückziehen?«
Erheitert und voller Neugier schaute sie Fandorin an. Ihm schwindelte von diesem geraden Blick.
»Am besten dort hinüber, in die Ecke. Ganz allein mit einem Draufgänger wie Ihnen möchte ich dann doch nicht sein.«
Ohne sich durch das höhnische Gelächter der anderen beirren zu lassen, folgte Fandorin ihr in die entfernteste Ecke des Salons und ließ sich auf einem Diwan mit geschnitzter Lehne nieder. Amalia Kasimirowna steckte eine Maisstrohzigarette in ihr silbernes Mundstück, entzündete sie an einer Kerze und streckte sich behaglich.
»Na, wieviel hat Ihnen Nikolai für mich geboten? Ich weiß doch, was er Ihnen einflüstern wollte.«
»Tausend Rubel«, gab Fandorin ehrlich zur Antwort. »Er wäre noch höher gegangen.«
Kleopatras Achataugen blitzten böse auf: »Oho, der scheint es ja nötig zu haben. Und Sie? Sind wohl Millionär?«
»Nein, eher arm«, erwiderte Fandorin bescheiden. »Aber mit dem Glück Handel zu treiben kommt mir schäbig vor.«
Im Salon hatte man es unterdessen aufgegeben, die Ohren zu spitzen, zu verstehen war von dem
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