Fandorin
entgegengekrochen, der die Fahrbahn in ihrer ganzen Breite versperrte. Kribbelig sprang Fandorin auf, stellte sich gar auf die Zehenspitzen, um den Phaeton, der gerade so durchgeschlüpft war, nicht aus den Augen zu verlieren. Und dies war gut, denn so bekam er zumindest noch mit, wie er in die Bolschaja Lubjanka einbog.
Der liebe Gott war Fandorin gnädig; sie holten den Phaeton unmittelbar vor der Sretenka ein, gerade noch rechtzeitig, um ihn in eine schmale, holprige Gasse abtauchen zu sehen;die Räder hüpften nur so durch die Schlaglöcher. Als der Phaeton hielt, stieß Fandorin seinen Kutscher in den Rücken: Weiterfahren! hieß das, wir fallen sonst auf. Er selbst drehte sich absichtlich zur Seite, spähte aus den Augenwinkeln und bekam immerhin mit, wie die lila Dame vor einer schmucken kleinen Villa von einer hochgewachsenen dienernden Person in Livree empfangen wurde. Gleich hinter der nächsten Ecke entließ Fandorin den Kutscher und kehrte im Schlenderschritt zurück. Nun konnte er die Villa eingehend betrachten: grün gedecktes Mezzanin, Gardinen an den Fenstern, das Portal mit kleinem Vordach. Ein Kupferschildchen am Eingang war nicht zu entdecken.
Dafür saß der Hausknecht mit Schürze und knittriger Mütze auf einer Bank an der Mauer und langweilte sich. Fandorin ging zu ihm hin.
»Was ich dich fragen wollte, Alterchen«, sprach er ihn noch im Gehen an, während er das letzte fiskalische Zwanzigkopekenstück aus der Tasche zog, »wem gehört dieses Haus?«
»Das möchtest du gern wissen«, gab der Hausknecht zurückhaltend zur Antwort und schaute Fandorin neugierig auf die Finger.
»Hier hast du. Was ist da vorhin für eine Dame angekommen?«
Der Knecht nahm die Münze entgegen und erwiderte gesetzt: »Das Haus gehört der Generalin Maslowa, aber die Herrschaften wohnen nicht hier, sie vermieten. Und angekommen ist die Mieterin Frau Beshezkaja, Amalia Kasimirowna«
»Wer ist sie denn?« Fandorin ließ noch nicht locker. »Wohnt sie schon lange hier? Hat sie oft Gäste?«
Der Hausknecht schaute ihn an, schürzte die Lippen und sagte nichts. Unklar, was in seinem Kopf vorging.
»Paß mal auf, mein Lieber«, sagte er endlich, während er sich erhob und Fandorin überraschend beim Ärmel packte. »Was jetzt passiert.«
Er zerrte den sich sträubenden Fandorin zur Tür des Hauses und riß an der Schnur des bronzenen Glöckchens.
»Untersteh dich!« Der erschrockene Detektiv unternahm einen vergeblichen Versuch, sich zu befreien. »Ich werd dir gleich … Du weißt wohl nicht, wen du …?!«
Die Tür öffnete sich, und der livrierte Hüne mit üppigen blonden Koteletten und rasiertem Kinn stand auf der Schwelle – kein Russe von Geburt, das war sofort klar.
»Hier ist wer, der sich für Amalia Kasimirowna interessiert«, hintertrug ihm der Schuft von Hausknecht mit süßlicher Stimme. »Geld hat er dafür geboten. Ich hab’s natürlich nicht genommen. Und da dachte ich, John Karlitsch …«
Der Butler (denn ein solcher mußte er, wenn er Engländer war, sein) maß den Arrestanten mit einem leidenschaftslosen Blick aus kleinen, stechenden Augen, steckte dem Judas wortlos seinen Silberling zu und trat einen Schritt zur Seite.
»Es handelt sich um ein komplettes Mißverständnis!« Fandorin mochte sich immer noch nicht in die Lage schicken. »
It’s ridiculous! A complete misunderstanding!
« wechselte er ins Englische.
»Na nun, wird’s bald!« grölte der Hausknecht von hinten und stieß Fandorin, nachdem er ihn sicherheitshalber noch beim anderen Ärmel gepackt hatte, ins Innere des Hauses.
Fandorin fand sich in einem recht üppigen Vestibül wieder, einem ausgestopften Bären mit Silbertablett direkt gegenüber – letzteres offenbar zu dem Zweck, Visitenkarten darauf abzulegen. Ungerührt blickten die Glasaugen des zottigen Tiers dem konsternierten Registrator ins Gesicht.
»Name? Anliegen?« fragte der Butler knapp mit starkem Akzent, womit er Fandorins passables Englisch vollkommen ignorierte.
Fandorin schwieg; um nichts in der Welt mochte er sein Inkognito preisgeben.
»
What’s the matter, John?
« ertönte da die Fandorin bereits bekannte wohlklingende Stimme. Auf der mit einem Läufer versehenen Treppe, die wohl in das Mezzanin führte, stand die Hausherrin, die Hut und Schleier inzwischen abgelegt hatte.
»Ah, der holde schwarzbraune Knabe«, versetzte sie schelmisch, an Fandorin gewandt, der sie mit Blicken geradezu verschlang. »Sie sind mir schon auf der Kamergerski
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