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Fandorin

Fandorin

Titel: Fandorin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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der Gontscharnaja. Jeder mit einem Revolver in der Tasche, Sechsermagazin, aber nur eine Patrone darin. Wir gehen jeder für sich, immer so, daß er den anderen sieht. Wer als erster dran ist, wird ausgelost. Irgendwo hatte Kokorin etwas über das amerikanische Roulette gelesen, das hat ihm gefallen. ›Du wirst sehen, Kolja‹, hat er gesagt, ›nach uns werden sie es in russisches Roulette umbenennen.‹ Außerdem fand er es öde, sich zu Hause die Kugel zu geben, wir sollten zuletzt noch mal einen richtig schönen Spaziergang machen, mit Spannungsmomenten. Ich stimmte zu, mir war alles egal. Ehrlich gesagt, hatte ich mich schon aufgegeben, weil ich mir sicher war zu verlieren. Morgen ist der Dreizehnte, ausgerechnet der Dreizehnte, hämmerte es in meinem Kopf. Die Nacht hab ich kein Auge zugetan, ich war nahe daran, mich ins Ausland abzusetzen, aber allein der Gedanke, wie er mit ihr zurückbleiben und mich auslachen würde … Ich rührte mich also nicht von der Stelle.
    Und dann der Morgen. Pierre kam – geckenhaft gekleidet, mit weißer Weste, äußerst aufgekratzt. Er war ein Glückskind, anscheinend hoffte er auch diesmal wieder Glück zu haben. Wir würfelten bei mir im Arbeitszimmer. Er kam auf neun Augen, ich auf drei. Darauf war ich gefaßt gewesen. ›Ich tue keinen Schritt mehr‹, sagte ich. ›Lieber sterbe ich hier.‹ Ich ließ die Trommel rotieren, setzte mir die Mündung an die Brust. ›Halt!‹ rief er. ›Nicht ins Herz. Wenn die Kugel abdriftet, quälst du dich ewig. Besser an die Schläfe oder in den Mund.‹ – ›Danke der Fürsorge‹, sagte ich und haßte ihn in dem Moment so, daß ich ihn am liebsten abgeknallt hätte, ohne jedes Duell. Aber ich folgte seinem Rat. Nie werde ich dieses Klicken vergessen, beim ersten Mal. Das fuhr mir so ins Ohr, ich hätte …«
    Achtyrzew schüttelte sich und goß wieder ein. Die Sängerin, eine fette Zigeunerin mit goldglänzendem Schal, trug jetzt mit tiefer Stimme etwas Langsames, zu Herzen Gehendes vor.
    »Und dann hörte ich Pierre sagen: ›Gut, jetzt bin ich dran. Gehen wir spazieren.‹ Erst da wurde mir bewußt, daß ich noch am Leben war. Wir liefen zur Schwiwaja Gorka hinauf, von wo man den Blick auf die Stadt hat. Kokorin immer voraus, ich zwanzig Meter hinter ihm. Knapp vor dem Abhang blieb er stehen, das Gesicht von mir abgewandt. Dann hob er die Hand mit der Pistole so, daß ich sie sehen konnte, drehte die Trommel. Zack! hatte er sie an der Schläfe – und klick. Ich hatte gewußt, daß ihm nichts passieren würde, ich hatte es nicht einmal anders zu hoffen gewagt. Danach würfelten wir neu – und wieder traf es mich. Wir liefen zur Jausa hinunter, dort war keine Menschenseele. Ich kletterte auf einen Brückenpfeiler, um mich nachher gleich ins Wasser fallenzulassen … Noch einmal ging es gut. Wir machten, daß wir davonkamen. Pierre meinte: ›Irgendwie wird es langweilig. Wollen wir die Spießer ein bißchen schockieren?‹ Er hielt sich großartig, das muß man ihm lassen. Wir bogen in eine Gasse, wo mehr Betrieb war, Kutschen verkehrten. Ich wechselte auf die andere Straßenseite. Kokorin nahm den Hut ab, verbeugte sich nach rechts und nach links, hob dann die Hand in die Höhe, ließ die Trommel kreisen – kein Schuß. Jetzt mußten wir die Beine in die Hand nehmen: Geschrei, Aufruhr, kreischende Damen. Wir verzogen uns in eine Einfahrt – das war schon in der Marosejka –, würfelten. Und was glauben Sie? Wieder verlor ich! Er hatte zwei Sechsen und ich zwei Einsen, ungelogen! Das war’s! dachte ich, Schluß, aus,
finito
! Ein besseres Symbol konnte es nicht geben: dem einen die volle Hand, dem anderen gar nichts. Den dritten Anlauf nahm ichvor der Kosma-und-Damian-Kirche, wo ich getauft worden bin. Ich stellte mich auf die Freitreppe, wo die Bettler hocken, gab jedem einen Rubel, nahm die Mütze ab … Als ich die Augen wieder aufschlug, lebte ich immer noch. Und einer von den Krüppeln tat einen Spruch: ›Die Seele juckt, der Herrgott schluckt‹, meinte er zu mir. Wortwörtlich, das hab ich mir gemerkt. Wir also schleunigst weg und weiter. Kokorin konnte es beim nächsten Mal nicht vornehm genug haben, die Konditorei auf dem Neglinny mußte es sein, direkt neben der Goloftejew-Passage. Er geht hinein, sucht sich einen Platz, ich stehe draußen vor dem Fenster. Er sagt etwas zu einer Dame am Nebentisch, sie lächelt. Er zieht den Revolver, drückt ab – alles gut zu sehen. Die Dame kriegt sich nicht ein vor Lachen. Da

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