Fandorin
Soll ich Ihnen eine feine Geschichte erzählen? Sie gefallen mir irgendwie, Sie schweigen so schön. Und es kann Ihnen nicht schaden zu erfahren, was für eine Frau das ist. Vielleicht kommen Sie noch zur Besinnung, ehe sie Sie verschlingt, wie sie mich verschlungen hat. Oder hat es Sie schon erwischt, Fandorin, he? Was haben Sie ihr denn heute geflüstert?«
Fandorin schlug die Augen nieder.
»Also hören Sie zu«, begann Achtyrzew. »Sie haben mich vorhin der Feigheit verdächtigt, weil ich von Ippolit die Finger gelassen habe, ihn nicht zum Duell fordern wollte. Dabei hatte ich schon ein Duell, und was für eins, das kann sich Ihr Ippolit im Traum nicht vorstellen. Haben Sie gehört, wie strikt sie verboten hat, über Kokorin zu sprechen? Das hat seinen Grund! Sie hat Blut am Stecken, fürwahr! Ich natürlich auch. Nur daß ich für meine Sünden schon gebüßt habe, mit Todesangst. Kokorin war mein Studienkollege, er verkehrte auch bei Amalia. Früher waren wir befreundet, aber zuletzt sind wir ihretwegen zu Feinden geworden. Kokorin war frecher als ich, sah auch niedlicher aus, nur,
entre nous
, ein Krämer bleibt immer ein Krämer, ein Plebs, auch wenn er an der Universität studiert. Amalia hat ihren Spaß mit uns getrieben – mal zog sie den einen vor, mal den anderen. So ist sie: Mal sagt sie Nicolas und duzt dich, du fühlst dich in den Favoritenstand gehoben, und dann fällst du in Ungnadewegen irgendeiner Kleinigkeit, sie verbietet dir eine Woche lang, ihr unter die Augen zu treten, siezt dich, ist förmlich bis dorthinaus. Wer einmal bei ihr an der Angel hängt, kommt nicht wieder los, das ist ihre Politik.«
»Und was spielt dieser Ippolit bei ihr für eine Rolle?« fragte Fandorin vorsichtig nach.
»Graf Surow? Das weiß ich nicht so genau, zwischen ihnen ist irgend etwas Besonderes. Entweder hat er sie in der Hand, oder sie ihn … Eifersüchtig ist er jedenfalls nicht. So eine wie sie verbittet sich jede Eifersucht. Eben ganz die Königin!«
Er verstummte, weil eine Horde angetrunkener Kaufleute am Nachbartisch krakeelte – sie waren im Gehen und stritten, wer die Zeche bezahlen sollte. Dann schafften die Kellner flink das schmutzige Tischtuch beiseite, legten ein frisches auf, und keine Minute später nahm bereits ein neuer Gast Platz: ein Beamter, ziemlich besoffen, mit fast weißen, noch dazu (wohl vom Trinken) glasigen Augen. Eine dralle Brünette kam zu dem Trunkenbold geflattert, faßte ihn um die Schulter und schlug die Beine so eindrucksvoll übereinander, daß Fandorin Gelegenheit hatte, sich in den Anblick ihres faltenlos mit rotem Fil de Perse bestrumpften Knies zu versenken.
Unterdessen hatte der Student ein gut gefülltes Glas Rheinwein trockengelegt und fuhr, in seinem blutigen Beefsteak stochernd, zu erzählen fort: »Sie glauben wohl, Pierre Kokorin hätte aus Liebeskummer Hand an sich gelegt? Das wäre ja noch schöner. Nein, ich war es, der ihn umgebracht hat.«
»Was?!« Fandorin traute seinen Ohren nicht.
»Sie haben richtig gehört!« Achtyrzew nickte und schaute stolz drein. »Wenn Sie den Mund halten und mich nicht mit Ihren Fragen behelligen, erzähle ich Ihnen alles haarklein.Jawohl, ich habe ihn getötet, und es reut mich nicht im geringsten. Wir haben uns duelliert, und zwar auf ehrliche Art. Ein ehrlicheres Duell hat es seit Ewigkeiten nicht gegeben! Wenn zwei sich vis-à-vis gegenüberstehen, geht es fast nie mit rechten Dingen zu: Der eine schießt besser, der andere schlechter, der eine ist dicker, man trifft ihn darum leichter, oder er hat eine schlaflose Nacht verbracht, und seine Hand zittert. Bei Pierre und mir hingegen war alles gerecht. Angefangen hat es im Sokolniki-Park, auf dem Rondell, wir fuhren zu dritt in einer Equipage spazieren, und plötzlich sagte sie: ›Ach, ich hab euch alle beide satt, ihr reichen, verzogenen Jungs! Von mir aus könntet ihr euch gegenseitig den Schädel einschlagen.‹ Darauf Kokorin, das miese Stück: ›Ich tät’s, wenn Ihr es mir lohntet.‹ Und ich: ›Für den richtigen Lohn täte ich es auch. Den, der nicht zu teilen ist. Einer soll verzichten – oder ins Gras beißen.‹ So weit war es mit uns schon gekommen, mit Kokorin und mir. ›Liebt Ihr mich wirklich so sehr?‹ fragte sie. Und er: ›Mehr als das Leben.‹ Von mir bekam sie Gleiches zu hören. ›Na gut‹, meinte sie, ›Mut ist das einzige, was ich an Menschen schätze, alles übrige läßt sich imitieren. So hört meinen Willen. Sollte einer von euch
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