Fangjagd
balancierte.
Newman wartete noch ab, bis der Engländer sich Nancy gegenübersetzte und der Ober ihnen den Kaffee servierte. Die beiden sprachen miteinander, als Newman das Hotel verließ und nach links in Richtung Bundeshaus Ost davonging.
„Lachenal“, begann Newman scharf, als er dem Schweizer Nachrichtendienstoffizier an dessen Schreibtisch gegenüber saß, „was hat all dieser Unsinn vor der Klinik Bern zu bedeuten gehabt? Ich meine damit den Panzer des Typs Leopard, der auf uns gezielt hat, als wollte er uns ins Jenseits befördern. Meine Verlobte hat beinahe einen Nervenzusammenbruch erlitten.
Mir hat dieses Erlebnis auch nicht gerade Spaß gemacht! Was hat ein deutscher Leopard 2 überhaupt in der Schweiz zu suchen? Sollte ich keine zufriedenstellenden Auskünfte bekommen, schreibe ich eine Story über…“
„Darf ich zwischendurch mal was sagen?“ erkundigte Lachenal sich eisig, fast feindselig. Er saß hoch aufgerichtet hinter seinem Schreibtisch und machte ein finsteres Gesicht. Newman merkte ihm an, wie unbehaglich ihm zumute war.
„Als erstes muss ich mich für diesen höchst bedauerlichen Vorfall entschuldigen“, fuhr der Schweizer fort, „der einzig und allein auf ein kurzes Abreißen der Funkverbindung zurückzuführen ist. Das Ganze war ein schlichtes, aber unverzeihliches Missverständnis. Die dafür Verantwortlichen haben einen strengen Verweis erhalten…“
„Aber was tut ein Leopard 2, der wahrscheinlich modernste Panzer der Welt, in der Schweiz?“
„Bitte! Lassen Sie mich erst ausreden! Das ist kein Geheimnis.
Wie Sie wissen, stellen wir viele Waffen selbst her, aber wir kaufen Großgerät wie Flugzeuge und Panzer im Ausland. Im Augenblick sind wir dabei, unsere Panzerwaffe mit neuen Fahrzeugen auszurüsten. Nach gründlicher Erprobung in Lerchenfeld haben wir soeben die Anschaffung dieses Panzertyps beschlossen. Das ist kein Geheimnis…“
„Aber Tabun ist ein Geheimnis, was?“ erkundigte Newman sich etwas gelassener. „Und das kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs zur Beschaffung von Tabun nach Deutschland entsandte Spezialteam auch, nicht wahr?“
„Kein Kommentar!“
Lachenal stand ruckartig auf, trat ans Fenster und starrte hinaus. Selbst in Zivil erinnerte er Newman mehr denn je an Charles de Gaulle. Auch er wirkte in kritischen Augenblicken hoheitsvoll und unnahbar.
„Wie Sie wissen, hatten wir Föhn“, sagte Lachenal nach einer Pause. „Wahrscheinlich hat er auch noch dazu beigetragen, den Vorfall so dramatisch zu gestalten. Der Föhn macht die Menschen nervös, er beeinflusst sogar ihr Urteilsvermögen.
Jetzt ist er vorbei, und wir bekommen Schnee. Das ist nach dem Föhn oft der Fall…“
„Ich bin nicht hergekommen, um mir eine Wettervoraussage anzuhören“, warf Newman sarkastisch ein.
„Ich kann nur bestätigen“, fuhr Lachenal fort, indem er die Hände in den Hosentaschen vergrub und sich nach seinem Besucher umdrehte, „das die Deutschen bei Kriegsende über große Mengen des Nervengases Tabun verfügt haben.
Zwölftausend Tonnen dieses Teufelszeugs, wenn Sie’s genau wissen wollen! Es war für den Fall eingelagert, daß die Russen zum Gaskrieg übergehen würden. Die Rote Armee hat den größten Teil dieser Bestände erbeutet. In der Zwischenzeit haben die Russen den Vorsprung des Westens auf einem gefährlicheren Gebiet wettgemacht, bei der Entwicklung organisch-phosphorhaltiger Verbindungen. Sie haben ihre Giftigkeit verstärkt und…“
„Das weiß ich alles, Rene“, stellte Newman ruhig fest.
„Wissen Sie aber auch, daß die Sowjets weit tödlichere Giftgase entwickelt haben – vor allem die höchst gefährlichen Kampfstoffe, mit denen ihre chemischen Bataillone ausgerüstet sind? Ich spreche dabei vor allem von Zyanwasserstoff, Bob – besser als Blausäure bekannt.“
Zyanwasserstoff … Blausäure…
Diese beiden Wörter hallten wie laute Gongschläge durch Newmans Bewußtsein. Lachenal sprach mit ausdrucksloser Stimme weiter.
„Im Westen gilt Blausäure als zu leicht flüchtige Substanz.
Aber die Russen scheinen sie im Griff zu haben. Ihre speziell für chemische Kampfführung aufgestellten Einheiten sind mit Kurz- und Mittelstreckenraketen ausgerüstet. Es gibt auch Artilleriegranaten, die mit diesem Teufelszeug gefüllt sind.
Haben Sie etwas gesagt, Bob?“
„Nein. Vielleicht habe ich mich geräuspert. Bitte weiter!“
„Darüber hinaus haben die Sowjets Flugzeuge mit neu entwickelten Sprühtanks für Blausäure
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