Fangjagd
ausgerüstet. Wir haben berechnet, das der Inhalt einer einzigen Granate – ganz zu schweigen von dem des Gefechtskopfs einer Rakete oder dem eines Sprühtanks – ausreichen würde, um auf einer Fläche von einem Quadratkilometer alles Leben zu vernichten. Der Inhalt einer einzigen Granate!“ wiederholte Lachenal.
Newman hörte, was er sagte, aber er erinnerte sich zugleich an Nancys Aussage über Mrs. Holly Lairds Todesursache.
Und die Zyanose der Gesichtshaut war unübersehbar.
Was hatte Dr. Anna Kleist geantwortet?
Meine Untersuchung hat diese ersten Eindrücke r genau bestätigt.
Lachenal kam vom Fenster zurück, nahm wieder an seinem Schreibtisch Platz, faltete die Hände und starrte seinen unbeweglich dasitzenden Besucher an. Newman gab sich einen Ruck und erwiderte den Blick. Er hatte den Eindruck, als stehe der Schweizer unter einer gewaltigen nervlichen Anspannung, die er mit größter Willensanstrengung zu unterdrücken versuchte.
„So hat alles mit Tabun angefangen“, stellte der Nachrichtenoffizier fest. „Das ist natürlich der wahre Grund Ihres Besuchs gewesen – nicht die Sache mit dem Panzer.“
„Wie Sie meinen, Rene.“ Newman stand auf und griff nach seinem Mantel. „Ich muss weiter…“
„Noch etwas, Bob“. Lachenal war ebenfalls aufgestanden und sprach sehr ernst. „Jeder von uns muss sein eigenes Verhalten auf dieser Welt selbst verantworten. Dabei kann sich niemand hinter dem Befehl eines sogenannten Vorgesetzten verstecken…“
„Damit haben Sie allerdings recht“, bestätigte der Engländer langsam.
Newmans Entscheidung stand fest, als er das Bundeshaus Ost verließ: Er würde Nancy bei allernächster Gelegenheit aus der Schweiz schaffen – selbst wenn sie dazu die Grenze durchbrechen mussten.
26
„Ich besuche heute Jesse – mit dir oder ohne dich“, verkündete Nancy, als Newman in ihr Hotelzimmer zurückkam. „Morgen Abend findet hier der Empfang anlässlich des Ärztekongresses statt. Kommst du mit oder nicht?“
„Einverstanden, ich komme mit!“
Newman zog sich einen Sessel ans Fenster, sank hinein und starrte in den Himmel. Das bleigraue Wolkenmeer hing tiefer als je zuvor. Lachenal hatte recht gehabt: Binnen 24 Stunden würde es in Bern schneien. Nancy trat hinter Newman und schlang ihm die Arme um den Hals.
„Ich hatte eigentlich erwartet, daß du widersprechen würdest.
Du siehst schrecklich ernst aus. Mein Gott, wie du dich verändert hast, seit wir unsere Reise begonnen haben! Was ist heute schon wieder Unangenehmes passiert?“
„Nancy, ich möchte, daß du mir gut zuhörst. Die meisten Leute sehen die Schweiz als Land der Kuckucksuhren, der Milchschokolade und der mondänen Wintersportorte. Aber dieses Land hat auch eine Kehrseite, von deren Existenz die meisten Touristen nie auch nur die geringste Ahnung haben.“
„Bitte weiter! Ich höre zu…“
„Immerhin eine Abwechslung! Die Schweizer dürften die wehrhafteste Nation Westeuropas sein. Sie sind rücksichtslose Realisten – wie ich’s mir manchmal von meinen Landsleuten wünschen würde. Sie sind entschlossen, ihre Unabhängigkeit mit allen Mitteln zu verteidigen. Du weißt vielleicht, daß es in der Schweiz keine Möglichkeit gibt, den Dienst mit der Waffe zu verweigern. Dieses Land befindet sich seit 1939 in ständiger Verteidigungsbereitschaft. Von nun an müssen wir uns bewegen, als seien wir durch ein Minenfeld unterwegs, denn genau das liegt vor uns: ein Minenfeld.“
„Bob, hast du etwas Neues erfahren, seitdem du heute morgen weggegangen bist? Wo bist du überhaupt gewesen? Und weshalb dieser plötzliche Sinneswandel in Bezug auf die Klinik Bern?“
Newman stand auf, zündete sich eine Zigarette an und schritt in dem geräumigen Zimmer auf und ab. Er unterstrich jede seiner Feststellungen mit einer abgehackten Bewegung der linken Hand.
„Ursprünglich hat es vier Menschen gegeben, die uns hätten mitteilen können, was hier wirklich gespielt wird. Julius Nagy, Mason – der Engländer, den ich unten in der Bar kennengelernt habe –, Dr. Waldo Novak und Manfred Seidler. Die beiden ersten sind ermordet worden – davon ist die Polizei überzeugt, obwohl sie’s nicht beweisen kann. Somit bleiben nur noch Novak und Seidler…“
„Du willst nochmal mit Novak sprechen? Bist du deshalb damit einverstanden, mich in die Klinik Bern zu begleiten?“
„Das ist zumindest einer meiner Gründe. Falls es mir gelingt, Novak kurz unter vier Augen zu sprechen, erzählt er mir
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