Fangjagd
Gasmaskenkoffer zur Tür ging.
„Weil wir uns nach der Schießerei am Bahnhof nicht mehr in Le Pont blicken lassen dürfen. Wer weiß, was uns dort blühen würde!“
Nancy hatte den Wassertopf und die Becher ausgespült und wieder in den Schrank gestellt. Sie nahm das Glas Pulverkaffee mit, so daß keine Spur ihres Besuchs im Haus verblieb, als Seidler, der noch immer sehr nervös wirkte, die Haustür öffnete. Newman hätte ihm am liebsten noch Dutzende von Fragen gestellt, aber im Augenblick ging es darum, so schnell wie möglich die Grenze nach Frankreich zu erreichen.
Newman hielt den Hausschlüssel, den Seidler ihm gegeben hatte, in der Hand. Der erste Schuß fiel, als Newman die Haustür absperrte, während Seidler und Nancy schon auf dem Weg zu dem unter den Bäumen geparkten Citroen waren. In der Stille der Winternacht war der Knall unnatürlich laut.
„Lauft!“ brüllte Newman. „Duckt euch! In den Wagen, verdammt noch mal!“
Im nächsten Augenblick fiel wieder ein Schuß. Newman, der mit Seidlers zweitem Koffer die vereisten Stufen hinabstolperte, sah verblüfft, wie dem Deutschen der andere Koffer aus der Hand gerissen wurde. Die Kugel hatte den Koffer durchschlagen. Seidler hob ihn auf und hastete weiter zum Auto, dessen Türen Nancy bereits geöffnet hatte.
Ein dritter Schuß fiel, dann ein vierter – aber beide kamen nicht einmal in ihre Nähe. Erst jetzt begriff Newman, daß es einen zweiten Schützen geben mußte, der auf den ersten schoß. Die Nacht hallte von Schüssen wider.
Seidler war mit seinem Koffer hinten eingestiegen. Nancy saß schon auf dem Beifahrersitz und hatte den Zündschlüssel, den Newman ihr gegeben hatte, ins Schloß gesteckt. Der Engländer glitt hinters Steuer, knallte die Fahrertür zu und ließ den Motor an. Als der Citroen sich mit durchdrehenden Rädern in Bewegung setzte, streifte eine Kugel die Motorhaube und surrte als Querschläger davon.
„Mein Gott, was hat das alles zu bedeuten?“ fragte Nancy mühsam beherrscht.
„Keine Ahnung“, gab Newman zu. „Jedenfalls sind’s zwei Kerle, von denen einer auf uns schießt – und der andere auf ihn! Verdammt noch mal, wie viele Leute wissen eigentlich, daß wir hier oben sind?“
Hinter ihnen verhallten die Schüsse, Newman gab Gas und fuhr so schnell davon, wie es ihm die spiegelglatte Fahrbahn erlaubte. Im Scheinwerferlicht glitzerte der Asphalt wie eine Eisbahn. Sie fuhren auf der Hauptstraße durch das wie ausgestorben wirkende Dorf L’Abbaye. Nun weiter nach Le Brassus – und zur französischen Grenze. Plötzlich hörten sie wieder das Geräusch des näherkommenden Hubschraubers.
Le Brassus VD – so
stand es auf dem Ortsschild – war ein verschlafenes Nest mit alten Villen, kahlen Bäumen und zugeschneiten Buchenhecken. Auch hier kaum Verkehr. Der See lag nun hinter ihnen. Am Ortsausgang gab Newman sofort wieder Gas.
„Was enthält der zweite Koffer, den ich getragen habe, Seidler?“ fragte er laut.
„Nur alte Zeitungen. Wohin bringen Sie mich?“
„Hoffentlich in Sicherheit! Wir sind gleich an der Grenze nach Frankreich. Notfalls durchbreche ich sie sogar…“ „Wir verlassen die Schweiz?“ erkundigte Nancy sich.
„In Frankreich bist du weniger gefährdet – und das gilt erst recht für Seidler. Außerhalb der Schweiz kann ich wahrscheinlich ungehinderter arbeiten. Ich habe vor, Beck anzurufen und ihm Seidlers Aussage zu übermitteln. Mal sehen, ob er dann die Klinik Bern durchsuchen läßt…“
Im Scheinwerferlicht tauchte eine Hinweistafel auf:
Zoll – Douane 2 km.
Gleich hatten sie’s geschafft! Newman trat das Gaspedal etwas weiter durch, ohne sich um das Eis auf der Fahrbahn zu kümmern. Als er zu Nancy hinübersah, nickte sie ihm zu, um ihm zu zeigen, daß sie mit seiner Entscheidung einverstanden war. Die Schießereien vor dem Bahnhof von Le Pont und dem alten Haus hatten sie ziemlich mitgenommen.
„Vorsicht!“ kreischte Nancy Sekunden später.
Im Scheinwerferlicht tauchte ein Hindernis auf, vor dem Newman bremsen mußte. Der schwarze Audi war als Straßensperre quer über die Fahrbahn gestellt worden. Rechts daneben stand ein zweiter Wagen, ein Saab, am Straßenrand.
Uniformierte Polizisten schwenkten warnend ihre Taschenlampen. Newman brachte den Citroen zum Stehen und sackte am Lenkrad zusammen. Sie saßen in der Falle.
Als er vorsichtig ausstieg, um auf der glatten Fahrbahn nicht auszurutschen, wurde das Knattern des Hubschraubers ohrenbetäubend laut. Newman
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