Fangjagd
…“
6
Tucson, Arizona. 10. Februar 1984. 40°C.
Die Sonne war hinter den Bergen versunken, und Tucson lag in rötlicher Abenddämmerung, während allmählich auch die Temperatur sank. Im Tack Room, dem wahrscheinlich luxuriösesten Restaurant in ganz Arizona, hob Newman sein Glas, um mit Dr. Rosen anzustoßen. Auf allen Tischen brannten Kerzen.
„Auf Ihr Wohl!“ sagte Newman. „Ich bin bei Dr. Chase gewesen. Ich habe mit Linda Wayne gesprochen -- ohne sichtbares Ergebnis. Nirgends ein Hinweis darauf, daß es bei Jesse Kennedys Einweisung in die Klinik Bern nicht mit rechten Dingen zugegangen sein könnte.“
„Wissen Sie übrigens, daß Jesse mit einem Privatjet nach Bern geflogen worden ist?“
„Nein, davon hat Linda nichts gesagt.“
„Haben Sie jemals von Professor Armand Grange gehört, dem bekannten Schweizer Facharzt?“
Newman schüttelte den Kopf. „Nein, sollte ich ihn kennen?“
„Mich wundert’s, daß Linda ihn nicht erwähnt hat. Grange hat eine Vortragsreise durch die Vereinigten Staaten unternommen – um Patienten anzuwerben, wenn Sie mich fragen. Und Linda hat in ihm sofort ihren Guru erblickt.“
„Guru?“ wiederholte der Journalist zweifelnd. „Ich dachte, so nennt man einen indischen Heilslehrer, der einem die Erlösung verspricht, wenn man sich genau an seine Lehren hält …“
„Ganz recht“, bestätigte Rosen. „Grange ist Spezialist für Frischzellentherapie – eine in der Schweiz seit vielen Jahren angewandte Therapie. Wir sind noch immer nicht von ihr überzeugt. Vielleicht sind wir dafür zu altmodisch.“
Der Arzt zuckte mit den Schultern. „Auf seiner Vortragsreise hat Grange jedenfalls neue Anhänger gewonnen – lauter reiche Leute, versteht sich.“
Newman warf seinem Gast einen forschenden Blick zu. „Tut mir leid, aber ich weiß nicht recht, ob ich Ihnen folgen kann.
Sie versuchen, mir irgend etwas zu suggerieren, nicht wahr?“
„Ganz richtig.“ Rosen ließ sich nachschenken. Außerhalb seines Dienstzimmers im Medical Center war er viel freundlicher und umgänglicher. Vielleicht lag es an der behaglichen Atmosphäre
im
Tack Room. „Was ich Ihnen jetzt erzähle, läßt sich vielleicht nicht ganz mit meinem ärztlichen Berufsethos vereinbaren. Es könnte sogar als Kritik an einem Kollegen ausgelegt werden – aber wir sprechen von einem Ausländer. Ich habe den Verdacht, daß Granges Klinik inzwischen voller reicher Patienten ist, die er auf seiner Amerikareise gewonnen hat. Er lockt mit zwei Karotten – eine für die Verwandtschaft, eine für den schwerkranken Patienten.“
Rosen lächelte verlegen. „Wissen Sie was, Newman? Ich rede zuviel…“
„Ich höre Ihnen gern zu. Manchmal tut’s einem gut, sich richtig auszusprechen.“ Newman beobachtete Rosen aufmerksam. Das gehörte zu seinen besonderen Fähigkeiten als Gesprächspartner. Als aufmerksamer Zuhörer brachte er andere Leute dazu, ihm Dinge zu erzählen, die sie weder Kollegen noch ihrer Frau anvertraut hätten – vor allem nicht ihrer Frau.
„Linda Wayne hat sich an Professor Grange gehängt“, fuhr Rosen fort, „wie eine Ertrinkende sich an einen Strohhalm klammert. Er hat ihr die langersehnte Möglichkeit geboten, Jesse Kennedy an einen weit, sehr weit entfernten Ort abzuschieben. Die Verwandtschaft lockt der Schweizer Professor mit der Karotte, daß er ihnen die Sorge für ihre kranken Angehörigen abnimmt. Das kostet eine Stange Geld, aber Grange verkehrt, wie gesagt, nur in Millionärskreisen.
Den kranken Patienten ködert er mit der zweiten Karotte, der Hoffnung auf die verjüngende, lebensverlängernde Wirkung der Frischzellentherapie. Das ist eine unschlagbare Kombination, wie mir scheint.“
„Und ein Mann wie Jesse Kennedy hat sich mit dieser Karotte locken lassen?“
„Sehen Sie, genau
das
macht mir Kopfschmerzen!“ Rosen trank einen großen Schluck, und Newman hütete sich, ihn durch eine Zwischenfrage zu unterbrechen. „Wenn Jesse Leukämie hätte, würde er versuchen, diese Krankheit mit eigener Kraft zu überwinden – er wäre kein Kandidat für eine Frischzellentherapie. Wissen Sie eigentlich, daß er früher mal für die CIA gearbeitet hat? Das war vor über zehn Jahren, als unsere Leute auf einem streng bewachten Wüstenflugplatz deutsche Piloten ausgebildet haben. Damals ist ein CIA-Agent, ein ganz gefährlicher Typ, aus Washington gekommen, um mit Jesse zusammenzuarbeiten. Leider hab’ ich seinen Namen vergessen. Linda Wayne hat sich heftig für
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