Fangjagd
wusste, daß er einem der cleversten Polizeibeamten Westeuropas gegenüber saß.
Arthur Beck, der zu einem dunkelblauen Nadelstreifenanzug ein blaues Hemd und eine blaue Krawatte mit einem eingestickten Eisvogel trug, spielte mit einem Bleistift, während er Newman musterte. Kein Wort der Begründung, kein Hinweis darauf, daß sie alte Bekannte waren. Plötzlich knallte er seinen Bleistift auf die Schreibtischplatte und fragte abrupt:
„Können Sie mir sagen, wo Sie heute Abend zwischen achtzehn Uhr fünfzehn und neunzehn Uhr gewesen sind?“
„Warum?“ fragte Newman.
„Ich stelle hier die Fragen! Haben Sie ein Alibi für diese Dreiviertelstunde?“
„Alibi?“
wiederholte der Engländer verblüfft und irritiert.
„Was soll das heißen, verdammt noch mal?“
„Sie haben meine Frage noch immer nicht beantwortet.“
„Hat sie etwas mit der kritischen Situation zu tun, von der Sie auf dem Zettel geschrieben haben, mit dem ich hierher gelockt wurde?“ Newman merkte sofort, daß er sich geirrt hatte. „Nein, das ist ausgeschlossen – den Zettel habe ich schon früher bekommen …“
„Es ist meine Pflicht, Ihnen diese Frage erneut in aller Form zu stellen. Denken Sie gut nach, bevor Sie antworten!“
Genau das tat Newman. Er durfte Beck nicht erzählen, wo er gewesen war, Dadurch hätte er Blanche mit in diese Sache hineingezogen. Das wollte er unbedingt vermeiden, Nicht wegen der unerwünschten Publicity oder wegen Nancy.
Sondern einzig und allein wegen Blanche. Newman war selbst erstaunt über dieses eindeutige Motiv für seinen Entschluss, „Ich habe nicht die Absicht, Ihre Frage zu beantworten, bevor ich nicht weiß, worum es eigentlich geht.“
„Gut, wie Sie wollen.“ Beck stand ruckartig auf. „Ich werde Ihnen zeigen, worum es hier geht. Aber Sie ziehen besser etwas anderes an, damit Sie nicht so leicht zu erkennen sind Der Engländer schwieg bewusst, während Beck den Garderobenschrank neben der Tür öffnete, einen dunkelblauen Wintermantel heraus nahm und ihn dem Besucher hinhielt.
„Da, ziehe, Sie den an. Ihren Lammfellmantel können Sie hier lassen. Wir kommen wieder her.“
„Wohin gehen wir überhaupt?“ erkundigte Newman sich.
„Und dieser Mantel ist mir zu groß. Sie sind dicker als ich.“
„Er passt tadellos. Er steht Ihnen sogar gut. So, jetzt setzen Sie noch meinen Hut auf…“
Beck schlüpfte in einen beigen Trenchcoat aus dem Garderobenschrank, während Newman den Hut aufsetzte. Der Polizeibeamte knallte die Schranktür zu, nahm den Telefonhörer ab und drückte auf einen der Knöpfe.
„Lassen Sie den Wagen vorfahren. Wir kommen gleich hinunter.“
„Der Hut ist auch zu groß!“ beschwerte Newman sich. „Sie haben einen dickeren Schädel als ich…“
„Nein, der Hut ist ganz in Ordnung. Setzen Sie noch diese Brille auf und schlagen Sie den Kragen hoch. Bitte keinen Widerspruch! Es ist sehr wichtig, daß sie nicht erkannt werden – und dort dürften weiß Gott genügend Leute herumstehen.“
„Wo stehen diese Leute herum? Ich will wissen, wohin Sie mit mir fahren, bevor ich diesen Raum verlassen“
„Wir fahren nicht weit, Bob. Diese Sache ist für mich ebenso unangenehm und beunruhigend wie für Sie, und ich bin ebenso überraschend mit ihr konfrontiert worden. Bitte sprechen Sie mit niemand außer mit mir. Sollten Sie meiner Bitte nicht nachkommen, so kann das nur zu Ihrem eigenen Nachteil sein…“
„Bitte… das klingt schon besser! Versuchen Sie ja nicht, mich zu etwas zu zwingen, sonst haben wir zum letztenmal zusammengearbeitet. Das wissen Sie doch hoffentlich, Beck?“
„Ja, ich weiß. Kommen Sie, wir dürfen keine Zeit verlieren.
Der Wagen steht unten. Wir müssen nicht weit fahren. Vom Bellevue Palace aus hätten Sie nur ein paar Minuten zu Fuß zu gehen gehabt. Dort ist etwas Schreckliches passiert…“
Beck und Newman saßen während der kurzen Fahrt schweigend auf dem Rücksitz eines neutralen Dienstfahrzeugs.
Newman starrte nach draußen und erkannte, daß sie die Aarestraße in Richtung Nydeggbrücke entlang fuhren. Die Lichter jenseits des Flusses spiegelten sich in dem dunklen Wasser.
Kurz bevor sie unter der Kirchenfeldbrücke hindurch fuhren, rollte hoch über ihnen eine Straßenbahn vorbei. Um diese Zeit war kaum noch Verkehr. Aber vor ihnen standen mehrere Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht. Ihre Limousine hielt vor der Straßensperre am Anfang der Badgasse, die unmittelbar unter der Münsterplattform
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