Fangjagd
bemerkenswertes Gedächtnis für Details, was die Plattform betrifft…“
„Fahren wir also hinauf oder nicht?“
„Ich lasse den Wagen außen herum nachkommen und am Ausgang warten.“
„Nein! Am oberen Ende der Münstergasse.“
„Gut, wie Sie meinen…“
Sie verließen den abgesperrten Raum und traten wieder in die Badgasse hinaus. Uniformierte Polizisten in langen Ledermänteln und mit 7,65-mm-Pistolen an der linken Hüfte patrouillierten auf und ab, ohne daß Newman darin einen bestimmten Zweck hätte erkennen können. Beck erteilte seinem Fahrer ein paar kurze Anweisungen und folgte dann dem Engländer, der bereits zum Ende des Walls vorausgegangen war, Der alte Aufzug besteht aus einem kleinen Käfig, der in einem offenen Metallschacht senkrecht zur Plattform hinaufgezogen wird. Als Beck herankam, hatte Newman bereits zwei Fahrkarten von dem alten Mann am Aufzug gekauft. Die beiden Männer standen schweigend nebeneinander, während die Kabine langsam in die Höhe stieg.
Beck beobachtete unterwegs Newman. Der Engländer sah zuerst aus dem zur Aare hinaus führenden Fenster, dann blickte er aus dem gegenüberliegenden in Richtung Münstergasse, deren Häuserzeilen in die der Junkerngasse übergingen. In irgendeinem dieser alten Häuser war Blanches Wohnung. Sie rief jetzt vermutlich gerade den Mann an, der die beiden Filme entwickeln und bis morgen früh die Abzüge liefern sollte.
Newman musste unter allen Umständen verhindern, daß sie auch noch in diese scheußliche Sache verwickelt wurde.
Als der Aufzug oben in dem winzigen Häuschen ankam, öffnete der Fahrstuhlführer die Ausgangstür. Aber Newman verließ die Kabine nicht gleich, sondern wandte sich freundlich lächelnd an den Alten.
„Abends haben Sie bestimmt nicht mehr viele Fahrgäste.
Erinnern Sie sich zufällig an einen Mann, der gegen achtzehn.
Uhr dreißig mit Ihnen gefahren ist? Vielleicht auch gegen achtzehn Uhr fünfundvierzig?“
„Soll ich für sechzig Rappen auch noch Auskunftsbüro spielen?“
Beck sagte kein Wort. Er zückte schweigend seinen Dienstausweis und hielt ihn dem Alten hin, ohne eine Miene zu verziehen. Dann steckte er ihn wieder ein und starrte weiter aus der offenen Tür.
„Entschuldigen Sie …“ Der Fahrstuhlführer war sichtlich verwirrt. „Ich hab’ nicht gewußt, daß Sie… Die furchtbare Sache mit dem Mann, der abgestürzt ist …“
„Genau davon rede ich“, erklärte Newman ihm freundlich.
„Wir vermuten, daß er einen Freund – oder Freunde – bei sich gehabt hat, der ihn identifizieren könnte. Irgend jemand, der so entsetzt gewesen sein muß, daß er mit Ihrem Aufzug nach unten gefahren ist. Lassen Sie sich Zeit mit Ihrer Antwort!
Denken Sie lieber gründlich nach!“
„Na ja, mir ist ein großer Mann aufgefallen, der allein runtergefahren ist.“ Der Alte runzelte die Stirn, während er sich zu erinnern versuchte. „Ich hab’ allerdings nicht weiter auf ihn geachtet. Aber eines ist mir aufgefallen, sein Spazierstock.“
„Wie war er gekleidet?“ warf Beck ein.
„Ich hab’ gerade was gegessen. Ich weiß nicht, wie er angezogen gewesen ist. Mit mir fahren jeden Tag so viele Leute …“
„Aber nicht um diese Zeit“, stellte Newman freundlich fest.
„An die Uhrzeit können Sie sich wohl nicht mehr erinnern?“
„Gegen neunzehn Uhr, würde ich sagen. Nicht früher. Der Aufzug ist unten gewesen; er hat danach geklingelt, ich hab’ das Klingelzeichen noch im Ohr…“
Beck verließ die Kabine als erster, Newman folgte ihm. Weiter hinten, fast am Ende der hüfthohen Begrenzungsmauer der Plattform, suchten Polizeibeamte mit Handscheinwerfern den Kies und das Mauerwerk ab. Ein Teil der Plattform war mit einem Seil abgesperrt. Newman vermutete, daß Nagy dort über die Mauer gestoßen worden war.
„Wir haben nichts gefunden – jedenfalls bis jetzt noch nicht“, meldete einer der Uniformierten Beck, der diese Meldung achselzuckend zur Kenntnis nahm.
„Wir suchen nach Anzeichen für einen Kampf“, erläuterte Beck. „Mein Gott, hier oben ist der Wind wirklich unangenehm kalt! Jedenfalls ist’s kein Unfall gewesen“, fuhr er fort. „Auf den Steinen ist kein Eis, auf dem er hätte ausrutschen können.“
Newman stützte sich in der Nähe der abgesperrten Fläche mit beiden Händen auf die Mauer und warf einen Blick in die Tiefe. Er mußte gegen ein leichtes Schwindelgefühl ankämpfen. Der hohe Wall fiel hier senkrecht ab, aber Newman begutachtete ihn auch links
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