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Fangjagd

Fangjagd

Titel: Fangjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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anschließende Salon – in dem in einigen Tagen der Empfang anlässlich des Ärztekongresses stattfinden sollte – menschenleer. Der Nachtportier blickte kurz auf, nickte Mason zu und befaßte sich wieder mit der Liste der Gäste, die am nächsten Morgen zu einer bestimmten Zeit geweckt werden wollten.
    Der durch Kamelhaarmantel, Wollschal, Pelzmütze und Lammfellhandschuhe gegen die Nachtkälte geschützte Engländer ging in Richtung Aare. Am Abend zuvor hatte er den gleichen Spaziergang gemacht. Mason dachte flüchtig daran, daß er damit gegen den wichtigsten Grundsatz verstieß, keine Routine einreißen zu lassen! Erschwerend kam noch hinzu, daß er das Hotel etwa zur selben Zeit wie gestern verlassen hatte. Mason war so in das Abfassen seines Berichtes vertieft gewesen, daß er gar nicht bemerkt hatte, wie spät es inzwischen war.
    Andererseits war dies erst die zweite Nacht, und er mußte sich unbedingt etwas Bewegung verschaffen, sonst konnte er nachher nicht schlafen. Sein Verstand war noch hellwach.
    Mason war ziemlich sicher, demnächst befördert zu werden. Er schloß das vor allem aus der Tatsache, daß Tweed ihn aus Wien abgezogen und vorläufig hier in Bern stationiert hatte.
    In der Aarestraße pfiff ihm der Wind entgegen. Mason schritt in Richtung Dalmazibrücke aus, um nachher über die Kirchenfeldbrücke an das andere Ufer der Aare zu gelangen und in sein Hotel zurückzukehren. Obwohl er in Gedanken bei seinem Bericht für Tweed und seiner bevorstehenden Beförderung war, achtete er automatisch auf seine nähere Umgebung. Kein Verkehr. Keine anderen Fußgänger. Mason vergrub die Hände in den Manteltaschen und marschierte weiter.
    Als er die Dalmazibrücke erreichte, hatte Mason erst recht den Eindruck, als schliefe die ganze Stadt bereits. Die Schweizer begannen ihren Tag früh und blieben deshalb nur selten lange auf. Mason sah unter sich die schwarzen Fluten der Aare dem eigenartig kanalisierten Flussabschnitt unterhalb des Münsters entgegen strömen, wo sie sich durch einige Schleusen ergießt, um dann auf niedrigerem Niveau ihre Schleife um die mittelalterliche Innenstadt zu machen. Mason hörte ein Auto herankommen. Der Wagen bremste und hielt. Mason drehte sich nach ihm um.
    In diesem Augenblick blendete der Fahrer auf und Mason hielt sich fluchend die Hand vors Gesicht. Dieser verdammte Schwachkopf! Der Fahrer hatte anscheinend nur den falschen Hebel erwischt, denn er blendete wieder ab, blinkte nach links und schien auf der Brücke wenden zu wollen. Dann überlegte er sich die Sache erneut und parkte mit Standlicht.
    Mason wollte kopfschüttelnd weitergehen. Doch in dem Moment, in dem er sich abwandte, traf der bleischwere Spazierstock – eine höchst ungewöhnliche Waffe – krachend seinen Hinterkopf. Mason sackte auf dem Gehsteig zusammen, wurde von starken Armen hochgerissen und mit den Füßen voran übers Brückengeländer gestoßen.
    Der Bewusstlose schlug mit dumpfem Aufprall auf der Wasserfläche auf. Sekunden später heulte ein Motor auf, und der Wagen, der auf der Brückenzufahrt geparkt hatte, fuhr wieder. In dieser kurzen Zeit war Mason bereits bis vor die Kirchenfeldbrücke geschwemmt worden. Unter ihrem hohen Bogen wurde der Tote plötzlich durch die immer stärker und schneller werdende Strömung nach rechts fortgerissen. Die Leiche des Engländers geriet in einen schäumenden Strudel, wurde mit brutaler Gewalt gegen eine Schleuse geworfen und blieb hängen. Durch die gewaltige Strömung wurde sie immer wieder gegen das Schleusentor geworfen, das als unnachgiebiges Hindernis wie ein Vorschlaghammer wirkte.
    Bernard „Tommy“ Mason würde seine ersehnte Beförderung nicht mehr erleben!
    Gisela, Arthur Becks Sekretärin, sah von ihrem Schreibtisch auf, als ihr Chef hereinkam, seinen Mantel auszog und an den Garderobenständer hängte. Er setzte sich hinter seinen eigenen Schreibtisch, sperrte eine Schublade auf und nahm die Akte Julius Nagy heraus.
    „Es ist schon schrecklich spät“, stellte Gisela vorwurfsvoll fest.
    „Ich dachte, du seist nach Hause gefahren. Wo bist du gewesen?“
    „Ich bin kreuz und quer durch die Stadt gelaufen und habe versucht, irgendeinen Zusammenhang zwischen scheinbar unzusammenhängenden Ereignissen herzustellen. Ein gestohlener Granatwerfer, ein entwendetes Gewehr mit Munition, das Verschwinden Lee Foleys. Er ist vermutlich noch nicht wieder aufgetaucht, was?“
    „Bisher noch nicht. Möchtest du eine Tasse Kaffee?“
    „Ja, gern.

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