Fangjagd
Und dann solltest du selbst nach Hause fahren! Es ist wirklich schon sehr spät …“
Nachdem sie den Raum verlassen hatte, schob Beck die Akte Nagy beiseite. Er starrte ins Leere, während die Finger seiner rechten Hand einen Marsch auf der Schreibtischplatte trommelten.
Am Steuer des Porsches achtete Lee Foley sorgfältig darauf, die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht zu überschreiten, obwohl er die Autobahn von Bern nach Thun um diese Zeit praktisch für sich allein hatte. Er hatte seine englische Aufmachung wieder abgelegt und trug zu Jeans und einer warm gefütterten Nylonjacke eine dunkelblaue Schirmmütze.
Foley würde die Nacht in einem kleinen Gasthof außerhalb von Thun verbringen. Bis die dortige Polizei den Meldezettel erhielt morgens oder vielleicht erst 24 Stunden später, weil er so spät ankam, wollte er Thun längst hinter sich gelassen haben.
Nach dem Aufstehen würde er von einer Telefonzelle aus zur vereinbarten Zeit anrufen. Nach Foleys Überzeugung konnte dies der erste entscheidende Tag sein. Und er würde sehr bald wieder auftauchen, sich wieder zeigen können. Alles hing davon ab, daß er den richtigen Zeitpunkt wählte, und darauf verstand sich Foley, er hatte die richtigen Verbindungen geknüpft.
Foleys Profil hätte aus Stein gehauen sein können, als er über die nachtdunkle Autobahn fuhr. Insgesamt war dies ein merkwürdiger Tag gewesen. Er zwang sich dazu, nicht mehr daran zu denken. Aus seiner Sicht zählte stets nur der nächste Tag – und der nächste Schritt.
In Basel marschierte Seidler lange nach Mitternacht noch immer im Wohnzimmer auf und ab. Auf dem Sofa unterdrückte Erika Stahel ein Gähnen. Sie entschloss sich zu einem weiteren Überredungsversuch.
„Komm, wir gehen ins Bett, Manfred. Ich hab’ den ganzen Tag gearbeitet und…“
„Dieser Schweinehund Newman!“ stieß Seidler hervor. „Er läßt mich wie ein Fisch an der Angel zappeln. Das brauche ich mir nicht bieten zu lassen! Wenn er wüsste, was ich in diesem Koffer habe, hätte er sofort Zeit für mich gehabt, als ich ihn in Genf angerufen habe!“
„In dem
abgesperrten
Koffer. Warum zeigst du mir nicht, was du darin hast?“
„Nur ein Muster, ein Warenmuster…“
„Ein Muster wofür?“
„Für etwas Schreckliches. Am besten weißt du gar nichts davon. Und es ist der Schlüssel zu
Terminal. Es
ist ein Vermögen wert!“ brach es aus ihm hervor. „Aber ich weiß genau, daß ich’s Newman für ein Almosen überlassen werde – wenn ich bis dahin nicht schon tot bin. Für ein Almosen“, wiederholte er, „nur um mir seinen Schutz zu sichern…“
„Ich habe in deinem Auftrag ein Vermögen im Schließfach deponiert“, erinnerte sie ihn. „Geld brauchst du keines mehr“.
Du machst mir Angst, wenn du von etwas Schrecklichem in deinem Koffer sprichst. Worauf hast du dich nur eingelassen?“
„Die Sache ist bald überstanden. Newman hat mir versprochen, sich mit mir zu treffen. Wir müssen an einem ganz einsamen Ort zusammenkommen. Aber ich weiß schon einen geeigneten Treffpunkt, glaub’ ich…“
Erika spürte, daß er möglicherweise noch stundenlang so weitermachen würde. Er war nervös, überdreht, vielleicht sogar einem Nervenzusammenbruch nahe. Sie stand auf, verschwand im Bad und kam mit einem Glas Wasser und einem Tablettenröhrchen zurück.
„Heute bekommst du eine Schlaftablette, denn du musst ausgeruht sein, wenn du dich mit Newman triffst – und klar im Kopf. Und jetzt gehen wir ins Bett, um
zu schlafen …
“
Eine halbe Stunde später lag Seidler leise schnarchend in tiefem Schlaf neben Erika. Sie starrte den Lichtreflex der blinkenden Leuchtreklame am Haus gegenüber an, der sich trotz zugezogener Vorhänge an der Decke abzeichnete.
Schrecklich.
Großer Gott, was konnte der Koffer nur enthalten?
Die gleiche Unruhe, die gleiche übellaunige Reizbarkeit, die in Basel herrschte, machte sich an diesem Tag auch in Bern unangenehm bemerkbar. Gisela hatte sie an ihrem Chef Arthur Beck wahrgenommen, und auch Newman und Nancy waren gereizt und versuchten, einander nicht auf die Nerven zu fallen.
Vor dem Zubettgehen machte Newman noch einen langen Spaziergang.
Bei seiner Rückkehr klopfte er an die Zimmertür und hörte, wie Nancy sie von innen aufsperrte. Sie trug ihren Bademantel.
Als Newman seinen Mantel auszog und aufs Bett warf, fiel ihm auf, daß auf dem Couchtisch zwischen den Sesseln ein Tablett mit einer vollen Kaffeekanne, zwei Tassen, Zucker und Sahne
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